Im Mittelpunkt der neuen Ausgabe wird das Arbeitsfeld von Ökonomie und Geopolitik im nationalen und internationalen Kontext behandelt. Vorab sei gesagt, dass die Zeitschrift nun im vierten Jahr erscheint und seit ihrem ersten Erscheinen im Juni 2021 qualitativ einen großen Zugewinn verzeichnen kann und vom Autor dieser Zeilen ein regelmäßiges Lesen empfohlen wird.
In mehr als 100 Seiten äußern sich 10 Autoren in 13 Beiträgen zu den stattfindenden weltpolitischen Umbrüchen im Weltgeldsystem (Stichwort CBDC – Central Bank Digital Currency) Auf jeden Einzelnen einzugehen würde den Rahmen einer Rezension sprengen, deshalb sollen hier zwei Beiträge besonders bewertet werden.
Peter Steinborn wartet in seinem Leitartikel „Das CBDC: Eine geldpolitische Weltrevolution“ mit einer fachkundigen Analyse der Umbrüche im Weltgeldsystem auf. Dabei erklärt er detailliert wichtige Grundlagen, die besonders für den wenig fachkundigen Leser von großer Bedeutung sein können. In welchem Verhältnis stehen Geld und Machtpolitik? Was ist überhaupt digitales Geld, wie wirkt es und was sind die Unterscheidungen zum heutigen bekannten Geldsystem? Was ist digitales Geld (CBDG) und wie unterscheidet es sich von anderen digitalen Währungen? Welche Positionen haben Staaten zu diesem Geldsystem? Bei den von ihm gegebenen Antworten kommt Steinborn zu einem kritischen Urteil. Er befürchtet einen massiven gesteigerten Einfluss der Zentralbanken und damit verbunden weitere Machtakkumulation der herrschenden Machtapparate, diese werde Auswirkungen auf jeden Einzelnen von uns haben! Weitere Risiken sind darin zu sehen, dass eine stark ansteigende Inflation derzeitige Schuldenzyklen auslösen, die weltweit stattfinden werden. Zentralbanken überall wollen mit digitalem Geld ihre staatlichen Kontrollen über die Menschen vorantreiben. Interessant ist, dass Steinborn dieses Ansinnen sowohl in den USA, in Europa und auch in den BRICS-Staaten sieht, was zeigt, dass CBDC auch bei den antiwestlichen Entitäten beliebt ist und sogar mit westlichen Staaten gemeinsame Projekte diesbezüglich realisiert werden. Steinborn warnt deshalb eindringlich davor „Entwicklungen der digitalen Geldpolitik zu ignorieren.“ Dies „wäre ein fataler Fehler“. Gerade für diejenigen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Deutschland und Europa wieder souverän zu machen.
In einem zweiten grundsätzlichen Beitrag gibt Alexander Markovics einen Einblick in die Verankerung multipolaren Denkens in der Volksrepublik China, anhand zweier bedeutender chinesischer Philosophen und Staatsdenker, Zhao Tingyang und Zhang Weiei.
Zhao Tingyang legt in seinem 2020 auf Deutsch erschienen Werk „Alles unter dem Himmel – Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung“ (Suhrkamp), sein Konzept der Tianxia dar, einer Vision vom Miteinander der zehntausend Völker die friedlich unter dem Himmel leben. Tianxia hat seinen Ursprung im Wertesystem der konfuzianischen Philosophie. Tianxia ist ein „Konzept des Miteinanders (der Kompatibilität) der zehntausend Völker und entstammt sprachlich dem ‚Buch der Urkunden‘, einer uralten Sammlung politischer Texte. Kompatibilität meint die Möglichkeit aus einem Feind ein Freund zu machen und eine Politik des Friedens zu garantieren.“ (Zhao Tingyang, Alles unter dem Himmel, 2020, S.30)
Zhao ist kein Utopist, er weiß eine vollständig harmonische Welt wird es nie geben. Konflikte wird es immer geben, das liegt in der Natur des Menschen, worum es aber geht ist die Schaffung von Spielregeln, die Menschen dazu zu befähigen stets aufs Neue auftretenden Konflikte zu lösen und nicht darin ihr Auftreten zu verhindern!
Markovics behandelt weiter den Denker Zhang Weiwei, der im Nationalstaat nicht das Maß aller Dinge sieht und ihm stattdessen den Zivilisationsstaat entgegenstellt, dem die Zukunft gehören wird. „Dieser ist auf intellektueller Ebene deckungsgleich mit der Vorstellung Carl Schmitts von einem Großraum, der verschiedenen Völker mit einer gemeinsamen Geschichte.“ Zivilisationsstaat bedeutet für Zhang die Zusammensetzung der historisch am längsten fortdauernden Zivilisation der Welt mit anderen bewährten eigenen modernen Staatsmodellen. Eine Konzentration auf die eigene Zivilisation verbunden mit einer Kritik des westlichen Universalismus, der seine Auffassungen einseitig auf den gesamten Erdball ausdehnen will. Markovics sieht im Zivilisationsstaat eine zukünftige Möglichkeit auch für Deutschland und Europa sowie einen Weg in die Multipolarität.
In weiteren Beiträgen behandelt Fabian Stummer die „Offene Gesellschaft-Gesellschaft der Lauheit“, Tom Dieke widmet sich einer „Raumorientierten Volkswirtschaft“, sowie dem Titelthema „Geld und Weltpolitik“. In einem Interview steht der geopolitische Sachverständige Dominik Schwarzenberger Rede und Antwort zu den weltpolitischen Umbrüchen.
Zeitschrift: agora-europa
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