Die Klugen wandern aus. Damals und heute. Heinrich Heine verließ Deutschland im Jahr 1831 und zog nach Paris. Der Hauptgrund für seine Flucht war die zunehmende Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die strenge Zensur in Deutschland. Heines Werke wurden zensiert und teilweise verboten, was ihm die Veröffentlichung und das berufliche Fortkommen stark erschwerte.
Postkutschenreise nach Hamburg 1843
Nachdem er Nachricht erhielt, dass seine in Hamburg lebende Mutter erkrankt sei, reiste er zu ihr unter anderem Namen. Pässe mit Lichtbild waren noch unbekannt. Heinrich Heine erlebte die Grenzkontrolle auf seiner Reise von Paris nach Deutschland, vermutlich in der Nähe von Aachen. Der preußische Zollverein führte mit seinen Soldaten strenge Kontrollen durch. Heine schildert seine Erfahrungen in seinem Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen“, wobei er die preußischen Zollbeamten und deren pedantische Kontrollen satirisch kommentiert.
Zollkontrolle
Schriften galten damals wie heute so gefährlich wie Waffen, weshalb auch seine Reisetaschen nach verbotenen Büchern durchsucht wurde. Er beschrieb dies so:
Beschnüffelten alles, kramten herum
In Hemden, Hosen, Schnupftüchern;
Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,
Auch nach verbotenen Büchern.
Und viele Bücher trag ich im Kopf!
Ich darf es euch versichern,
Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest
Von konfiszierlichen Büchern.
„Bücher im Kopf“ konnten nicht konfisziert werden, wie auch. Er fährt fort:
Ihr Toren, die ihr im Koffer sucht!
Hier werdet ihr nichts entdecken!
Die Konterbande, die mit mir reist,
Die hab ich im Kopfe stecken.
Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“, gilt als zeitlose Kritik an der Zensur.
Kommentare
6 Antworten zu „Tradition von Zensur und Meinungsunterdrückung“
Auswandern muss man nicht nur wollen, sondern auch können.
Ja, genau. Und bei solchen Ratschlägen wird oft vergessen, dass mit dem Auswandern auch tradierte Ansprüche und Vorleistungen aufgegeben werden müssen, viele, gerade die Erfolgreicheren, Redlichen, Tüchtigeren sind durch Besitztum und menschliche Verpflichtungen gebunden. Siehe die Unterscheidung „Somewheres“ und „Anywheres“.
Das angeblich verruchte Metternichsche Zensur-System war – verglichen mit der heutigen BRD – eine recht milde Angelegenheit.
Transformieren wir zwei typische Ereignisse der Metternich-Zeit in unsere Tage.
Goethe, einst der wichtigste Mann nach seinem Herzog im Sachsen-Weimar-Land, trug zu einer offiziellen Gedenkfeier der Leipziger Völkerschlacht 1815 oder 16 nur einen einzigen Orden, Napoleons eigenes Exemplar des Kreuzes der Ehrenlegion, das ihm das „Ungeheuer des XIX. Jahrhunderts“ beim Erfurter Fürstenkongress 1808 selbst ansteckte.
Wäre Erich Mende 1964 zu einer vergleichbaren Feier lediglich mit seinem von Hitler gestifteten Ritterkreuz (verliehen dem Major der 102. Infanterie-Division am 28. 2. 1945) erschienen, so hätte er den nächsten Sonnenaufgang gewiss nicht mehr als Vizekanzler erlebt.
Heine verherrlichte um 1820 den in Deutschland als „korsischen Blutsäufer“ verdammten französischen Kaiser in einem ab 1822 oft veröffentlichten Gedicht, das Schumann 1840 als „Die beiden Grenadiere“ vertonte.
„Der größte Mann aller Jahrhunderte, der herrliche Napoleon“, wie Schumann den ein Jahrhundert lang in Deutschland offiziell verpönten Kaiser der Franzosen nannte, wurde vom Komponisten dadurch besonders geehrt, das er die fast weltweit verbotene „Marseillaise“ (BTW: das Lieblingslied der Waffen-SS-Division „Charlemagne“) in seiner Vertonung verwandte.
„Metternich, komm wieder“, denn der rheinische Fürst war bis 1848 als österreichischer Staatskanzler in seinem ziemlich zahnlosen Kampf gegen den Liberalismus und das kaum virale Gespenst einer deutschen Revolution weit zurückhaltender als die meisten Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die eher bissigen Wildsäuen zu vergleichen wären.
Dass heute ein deutscher Lyriker eine dem Heine-Gedicht vergleichbare Apotheose Adolf Hitlers verfasst und ein deutscher Komponist diese unter Verwendung des Horst-Wessel-Liedes vertont, ist derart abwegig, dass ich mit wenigstens Sechs-Millionen-Fachen Wiederholungen von „Horribile dictu“ schließen muss.
der klügere gibt nach… idioten bleiben am ruder bis das schiff sinkt…
Über diese seltsame Redensart kann man lange philosophieren, und über seine Herkunft rätseln. Aus welcher Quelle stammt wohl die vermeintliche Einsicht?
Es gibt unsinnige „Volksweisheiten“, die dümmste ist „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“.