Provinzposse: AfD zeigt Paderborner Theater wegen Nazi-Vergleich an

Anti AfD Aufkleber – Symbolfoto: O24

WESTFALEN-BLATT: Der AfD-Kreisverband Paderborn hat Strafanzeige gegen die Leitung des Paderborner Theaters erstattet. Die Partei fühlt sich durch eine Grafik im aktuellen Spielzeitheft verunglimpft.

Die Grafik ergänzt die Ankündigung des Stücks »Andorra« von Max Frisch, mit dem das Theater am 1. September die Saison eröffnet. Die vom Theatergrafiker gestaltete Illustration stellt die jeweils deutlich gestiegenen Wahlergebnisse der NSDAP aus den Jahren 1928 und 1932 sowie der AfD von 2013 und 2017 untereinander und ergänzt diese durch die Zahl von rund sechs Millionen Menschen, die während des Holocausts ermordet wurden, und die Zahl der 681 antisemitischen Straftaten, die im ersten Halbjahr 2017 in Deutschland erfasst wurden.

Der AFD-Kreisvorsitzende Karl-Heinz Tegethoff sagte dem WESTFALEN-BLATT, die AfD sehe sich mit der NSDAP gleichgesetzt und verleumdet. Theaterintendantin Katharina Kreuzhage erklärte: “Unsere Grafik überschreitet nicht die Grenzen, die der Freiheit der Kunst gesetzt werden.« Wenn es zu einem Verfahren kommen sollte, freue sie sich auf die Entscheidung, wo die Freiheit der Kunst ende. Die Staatsanwaltschaft Paderborn bestätigte am Donnerstag den Eingang der Anzeige.

In einem Kommentar stellt sich das WESTFALEN-BLATT auf die Seite der Intendantin, kritisiert aber die Aktion, weil dadurch die AfD in eine Opferrolle gedrängt würde und deshalb mehr Zuspruch erfahren könne. 

Die Paderborner Theaterintendantin Katharina Kreuzhage ist bekannt für ihre ambitionierten, stets kritischen und bisweilen auch provokanten Positionen, die sie selbstbewusst auch in ihren Spielplänen und Inszenierungen vertritt. Dass sie damit jetzt bei der Partei angeeckt ist, deren Spitzenvertreter selbst gern und wiederholt bedenkenlos austeilen und dabei bewusst Schranken durchbrechen, spricht zunächst einmal für eine wirkungsvolle Taktik bei sonstiger Waffengleichheit. Auf einen groben Klotz gehört eben ein spitzer Keil. Die Intendantin hat in ihrem Spielzeitheft zur Inszenierung des Max-Frisch-Klassikers »Andorra«, der das Thema Fremdenfeindlichkeit thematisiert, Parallelen zwischen der NSDAP und der AfD angedeutet.

Besonders absurd erscheint der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Anstieg “antisemitischer” Straftaten und der AfD. Selbst linke Zeitungen wie der Tagesspiegel haben darüber berichtet: Merkel beklagt Judenhass bei Flüchtlingen

In Zeiten, in denen die extremen Nationalisten in steigender Zahl Wählerstimmen gewinnen, wachse die Bereitschaft zu antisemitischer Gewalt in der Gesellschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger bringt die von der AfD angefochtene Grafik zum Ausdruck. Trotzdem hat die Theaterchefin der Sache damit auch einen Bärendienst erwiesen. Die so herausgeforderte und mit kalkulierter Empörung vorgebrachte Reaktion der Partei, deren Spitzenvertreter Hitler und die Nazis – und damit zwangsläufig auch den Holocaust – als einen »Vogelschiss der Geschichte« verniedlichen, verhilft der AfD zu unnötiger Aufmerksamkeit und der schwer widerlegbaren Aussage, mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten nichts zu tun zu haben. Nicht wenige Wähler werden die Partei in dieser Frage in der Opferrolle sehen.

Nicht nur die Theaterintendantin hat der AfD einen Bärendienst erwiesen, auch das WESTFALEN-BLATT dürfte nun ein paar weitere Abonnenten verlieren.

 



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