Sie geben sich als Tierfreunde, doch verfolgen knallharte Konzerninteressen: Die globalen Lebensmittelgiganten Nestlé und Mars kaufen sich seit Jahren systematisch in den europäischen Veterinärmarkt ein – und kaum jemand redet darüber. Was nach moderner Tiermedizin klingt, ist in Wahrheit eine stille Übernahme ganzer Versorgungsstrukturen. Im Fokus: Daten, Kontrolle und Profit.
Nestlé ist über seinen Futterableger Purina als strategischer Investor bei IVC Evidensia eingestiegen – Europas größtes Tierkliniknetz mit über 1.100 Praxen in 10 Ländern, das inzwischen auf 2.300 Standorte angewachsen ist . Dieses Engagement verschafft dem Konzern Zugriff auf Gesundheitsdaten von Millionen Haustieren – genutzt zur Entwicklung und gezielten Vermarktung eigener Premium-Futtermittel. Tierärzte werden so ungewollt zu Vertriebsplattformen.
Noch massiver ist der Einfluss von Mars: 2018 übernahm Mars Petcare den Klinikverbund AniCura für rund 2 Mrd. € . Der Konzern integriert seither Forschung, Tiermedizin und Futterproduktion unter einer Marke. Die EU genehmigte den Deal zwar, forderte aber die Abgabe von AniCuras Beschaffungsplattform VetFamily, um den Wettbewerb im Diätfuttersegment zu schützen .
Was bedeutet das für Tierhalter?
- Weniger Auswahl, höhere Kosten: Großbritannien und Schweden berichten bereits über steigende Preise und sinkende Vielfalt durch Klinik-Konzentration (CMA) .
- Interessenkonflikte: Kliniken empfehlen zentral gesteuert Produkte aus dem eigenen Konzern – unabhängig von individuellen Bedürfnissen.
- Druck auf Mitarbeitende: Angestellte klagen über Zeit- und Kostendruck, Überbelastung und Fokus auf Umsatz statt ärztlicher Freiheit – wie z. B. in US-Medien kritisiert.
- Intransparenz: Besitzverhältnisse bleiben oft versteckt – Tierhalter sind sich nicht bewusst, dass ihre Klinik Teil globaler Konzerne ist.
Die britische Wettbewerbsbehörde CMA warnt vor Monopolen; die US-amerikanische FTC zwang Mars zur Abgabe mehrerer Kliniken nach der VCA-Übernahme. In der EU bleiben vergleichbare Eingriffe bislang aus.
Nestlé und Mars kontrollieren längst nicht mehr nur Futtermärkte – sie dominieren zunehmend die Tiermedizin. Tierärztliche Entscheidungen werden durch Konzerninteressen beeinflusst. Haustierbesitzer sollten sich bewusst machen, dass sie mit jeder Klinikwahl auch ein Konzernnetzwerk unterstützen.
6 Antworten zu „Konzernmedizin für Haustiere – Nestlé und Mars übernehmen Europas Tierkliniken“