Über 200 Jahre deutsch-iranische Beziehungen: Was nach ehrwürdigem Jubiläum klingt, ist in Wahrheit ein Lehrstück über Doppelmoral, geopolitisches Kalkül und die Bereitschaft, Menschenrechte dem Exporterfolg unterzuordnen. Was heute als „kritischer Dialog“ verklärt wird, hat seine Wurzeln in einem System permanenter Anbiederung – bis hin zu Glückwunschtelegrammen an ein Regime, das Oppositionelle erhängt, Frauen entrechtet und Drohnen nach Russland liefert.
Bereits im 19. Jahrhundert galt Deutschland im damaligen Persien als verlässlicher Partner. Anders als die Kolonialmächte England und Russland traten die Deutschen scheinbar ohne imperiale Ambitionen auf – ein Image, das ihnen bis heute im Iran Vorteile verschafft. Techniker, Ärzte und Archäologen kamen, deutsche Firmen bauten Infrastruktur und Schulen. Im Dritten Reich wurde das Verhältnis ideologisch aufgeladen – die Iraner galten plötzlich als „arische Brüder“. Der Schah hofierte Hitler, Berlin lieferte Technik, Waffen und Ideologie. Die Quittung kam 1941, als britische und sowjetische Truppen einmarschierten, um den Einfluss Nazi-Deutschlands zu kappen. Doch die alten Beziehungen überlebten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die Bundesrepublik da an, wo das Dritte Reich aufhörte. Reza Pahlavi, nun Schah, wollte den Iran modernisieren – westlich, säkular, technokratisch. Deutsche Konzerne wie Siemens, BASF und Krupp halfen dabei, lieferten Nukleartechnik, Industrieanlagen, Know-how. Die deutsche Außenpolitik schwieg zu Folter und Geheimpolizei – Hauptsache, der Markt lief.
1967 gipfelte diese Realitätsverweigerung im pompösen Staatsbesuch des Schahs in Berlin. Während das Regime im Iran brutal gegen Andersdenkende vorging, rollte ihm die Bundesrepublik den roten Teppich aus. Die Proteste dagegen markierten eine Zäsur: Der Mord am Studenten Benno Ohnesorg durch die Polizei wurde zum Fanal für die entstehende Außerparlamentarische Opposition (APO) – und war zugleich ein Symbol für die Kluft zwischen deutscher Außenpolitik und demokratischem Anspruch. Doch statt Konsequenzen zu ziehen, hielt man am autoritären Partner fest.
Dann kam 1979 – und mit ihm die Revolution. Ayatollah Khomeini, bis dahin in Frankreich im Exil, wurde plötzlich zum Hoffnungsträger nicht nur islamistischer Kreise, sondern auch westlicher Strategen. In Berlin, Paris und Washington war man sich einig: Der Schah war unberechenbar geworden, der radikale Islam aber kalkulierbar – solange er gegen Moskau stand.
Was kaum jemand ausspricht: Die Rückkehr Khomeinis erfolgte mit westlicher Duldung, wenn nicht sogar Förderung. Frankreich stellte die Maschine. US-Diplomaten waren informiert. Und auch deutsche Diplomaten schwiegen vielsagend. Die sogenannte „Teheran-Konferenz“ – nicht zu verwechseln mit dem Gipfel 1943 – war ein informeller Rahmen, in dem über eine Post-Schah-Ordnung verhandelt wurde. Wer damals glaubte, der Iran werde ein zweites Saudi-Arabien, übersah, dass Khomeini weder König noch Marionette sein wollte – sondern Revolutionsführer. Und genau das wurde er.
Was tat Deutschland? Es arrangierte sich. Die wirtschaftlichen Interessen wogen schwerer als das Abschneiden von Händen oder das Steinigen von Frauen. Deutsche Firmen blieben aktiv, deutsche Politiker redeten sich die Islamische Republik schön. Als das Regime in den 1980ern Terror im Ausland organisierte – etwa bei den „Mykonos“-Morden in Berlin – dauerte es Jahre, bis der politische Wille zur Konsequenz reichte. Und während Dissidenten in Teheran verschwanden, traf man sich in Bonn zu „konstruktiven Gesprächen“. Als 2015 das Atomabkommen unterzeichnet wurde, war Deutschland stolz auf seine Vermittlerrolle – obwohl die Mullahs ihre Raketenprogramme unbehelligt fortsetzten.
Und heute? Während iranische Drohnen ukrainische Städte verwüsten, jubeln Politiker in Berlin über diplomatische Kanäle. Während die Revolutionsgarden Demonstranten erschießen lassen, versendet der Bundespräsident Glückwunschbotschaften zum Jahrestag der Islamischen Revolution – zuletzt im Jahr 2023. Protest gab es nur von Exil-Iranern. Deutsche Medien? Schweigen. Die Bundesregierung? Spricht von Dialog. Es ist ein Dialog der Heuchelei.
Deutschlands Iranpolitik ist keine Geschichte von Werten, sondern von Interessen. Wer heute behauptet, man stehe auf der Seite der Freiheit, muss erklären, warum man vier Jahrzehnte lang einem frauenfeindlichen, antisemitischen, repressiven Regime die Hand reicht – und das schon seit dem Tag, an dem man den Schah fallen ließ.
4 Antworten zu „Vom Technikpartner zum Gratulanten der Mullahs – Deutschlands unrühmliche Iran-Politik“