Wie der Axel-Springer-Konzern still und mächtig zur globalen Medienmacht aufstieg
In den 1960er Jahren gingen zehntausende Menschen in Westberlin auf die Straße und skandierten: „Enteignet Springer!“ Gemeint war der damalige Mediengigant Axel Springer Verlag – wegen seiner dominanten Rolle im Printbereich und der aggressiven Berichterstattung, insbesondere durch die BILD-Zeitung. Der Vorwurf: Meinungsmache, Hetze gegen die außerparlamentarische Opposition, Mitverantwortung für die Eskalation rund um Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke.
60 Jahre später stellt sich die Frage: Ist der Konzern geschrumpft? Weniger einflussreich? Pluralistischer? Die Antwort lautet: Nein – ganz im Gegenteil.
Vom Boulevardverlag zum internationalen Digitalkonzern
Heute ist aus dem Verlag von damals ein global operierender Medien- und Technologiekonzern geworden. Die Axel Springer SE hat ihren Fokus längst von Printmedien auf digitale Plattformen verlagert – mit Investitionen in Newsportale, Vergleichsportale, Werbung, Immobilien und Recruiting-Plattformen. Der Konzern ist in über 40 Ländern aktiv.
Zu den bekanntesten Marken im Portfolio gehören:
- BILD (Print, Online, BILD TV)
- WELT (inkl. WELT TV, ehemals „Die Welt“)
- Politico (USA & Europa)
- Business Insider (heute: Insider)
- Upday (News-App)
- Idealo (Preisvergleich)
- Transfermarkt (Sportportal)
- Awin (Affiliate-Marketing)
- Morning Brew (Wirtschaftsnewsletter)
Zusätzlich hält Springer Beteiligungen an:
- StepStone (Stellenportal)
- AVIV Group (Immobilienplattformen wie SeLoger, Immoweb, Yad2)
KKR & Döpfner: Medienmacht im Hintergrund
Im Jahr 2020 übernahm die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) die Mehrheit an der Axel Springer SE. Kleinere Anteile halten Friede Springer sowie der langjährige Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner, der laut Konzernangaben rund 20 % der Stimmrechte kontrolliert.
Besonders brisant: Sowohl Döpfner als auch führende KKR-Repräsentanten sind Mitglieder des Steering Committee der Bilderberg-Konferenz – einer informellen, nicht-öffentlichen Zusammenkunft von Entscheidungsträgern aus Politik, Medien, Wirtschaft und Militär.
- Mathias Döpfner: seit 2018 im Steuerkreis der Bilderberg-Gruppe, dort offiziell gelistet als CEO von Axel Springer SE
- Henry Kravis, Mitgründer von KKR: ebenfalls mehrfach als Steering-Member aufgeführt (u. a. 2008–2016, 2022)
Früher Straßenschlacht, heute Netzwerkstrategie
Während sich der Protest in den 1960er Jahren noch gegen konkrete Schlagzeilen und die Rolle von BILD in politischen Kampagnen richtete, ist die heutige Medienmacht subtiler – aber umfassender. Inhalte, Plattformen, Reichweiten – all das wird datenbasiert gesteuert, journalistische Richtungen entstehen oft entlang transatlantischer Narrative.
Gerade in Debatten um NATO, Corona, Klima oder Migration zeigt sich der große Einfluss: Kritische Stimmen werden selten eingebunden, oft marginalisiert. Wer widerspricht, wird leicht zum Außenseiter erklärt.
Was tun?
Die Forderung „Springer enteignen“ stammt aus einer anderen Zeit. Aber der Kern – eine kritische Auseinandersetzung mit konzentrierter Medienmacht – ist aktueller denn je. In einer demokratischen Gesellschaft muss der Medienpluralismus gewährleistet bleiben. Wenn ein einzelner Konzern mit milliardenschwerer Rückendeckung durch US-Finanzeliten und elitäre Netzwerke wie Bilderberg operiert, sollte das offen diskutiert werden dürfen.
18 Antworten zu „Springer enteignen – damals ein Ruf, heute ein Echo?“