Eine Woche vor der Europawahl hat der frühere SPD-Chef und Europapolitiker Martin Schulz die Regierungen Österreichs, Italiens, Polens und Ungarns scharf attackiert. Die „grandiose Idee“ eines Europas ohne Binnengrenzen werde heute „nicht etwa von irgendwelchen verrückten Extremisten gefährdet, sondern von den Regierungen in Wien, in Rom, Warschau und Budapest“, sagte Schulz in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag-Ausgabe).
Früher sei der Rechtsextreme Jean Marie Le Pen als Außenseiter isoliert gewesen. „Mittlerweile sind aus diesen Außenseitern knallhart kalkulierende Politiker in den Machtzentralen wichtiger Mitgliedsstaaten geworden. Das ist brandgefährlich.“ Besonders hart ging Schulz mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban ins Gericht. Orban wolle sich zum Führer der europäischen Rechten aufschwingen. „Er ist ein eiskalt kalkulierender Politiker ohne Prinzipien, ein gefährlicher Mann.“ Er befürchte, dass Regierungen wie die in Rom oder Budapest Kommissare schicken wollten, „die in der EU-Kommission nichts verloren haben“. Das Parlament müsse durchsetzen, dass keine „Leute als Kommissare in der EU Einzug halten, die sich den Prinzipien von Toleranz, Respekt und Solidarität nicht zu hundert Prozent verpflichtet fühlen“. Schulz erwartet einen Wahlerfolg der Rechtspopulisten.
Es werde eine „etwas größere rechte Gruppe geben“ im Europaparlament. „Die wird aber hoffentlich nicht so stark, dass sie entscheidenden Einfluss nehmen kann.“ Scharfe Kritik äußerte Schulz auch am britischen Europaabgeordneten Nigel Farage, dem mit seiner Brexit-Partei gute Ergebnisse vorhergesagt werden. „Nigel Farage ist ein Lügner und Europahasser. Seit Jahren nutzen er und seine Leute aus der Brexit-Partei das Geld und die Infrastruktur des Europaparlaments, um diese demokratische Institution zu zerstören.“ Wenn er wieder ins Parlament einziehen würde, wäre das „ein Zynismus, der durch nichts zu überbieten ist“. Schulz rief die britischen Euro-Gegner auf, ihren Mandate nach der Wahl nicht wahrzunehmen.