Die vermeintliche Ordnung auf dem Weg ins kühle Grab

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Millionen Tote liegen in ihren kühlen Gräbern. Die Ruhefrist ist nur 25–40 Jahre, je nach Gemeinde. Bei Urnenbestattungen nur 10–12 Jahre. Vier bis sechs Fuß tief, ordentlich in Reihen, ordentlich beschriftet. Dann kommt der große Bagger, um Platz zu schaffen für die nächsten Leiber.

An Allerheiligen und Allerseelen ist ein guter Anlass, die Gräber der Angehörigen wenigstens einmal pro Jahr zu besuchen. Und dabei stellt man fest, wie überall in Deutschland, dass alles seine Ordnung hat, denn die Friedhöfe sind Musterbeispiele des deutschen Ordnungssinns. Ist ja auch nicht weiter verwunderlich. Die Kundschaft kann sich ja nicht mehr wehren.

Und während wir schweigend zwischen den Reihen stehen, zeigt uns die Natur selbst, wie jede Ordnung vergeht. Das Blühen des Sommers ist verwelkt, die Bäume verlieren ihr Laub. Es bleibt nichts anderes, als die unordentlich gefallenen Blätter zusammenzufegen – wie man es eben macht, wenn etwas zu Ende geht.

Auch die alte deutsche Ordnung vor 2015 ist nicht auf natürliche Weise zerfallen. Sie wurde untergraben. Nicht vom Frost, sondern durch das Einladen von Gästen. Deren scherbenreiches Wirken wird nun mit Formularen, Schaufeln und Besen zusammengekehrt. Ganz ordentlich entstehen neue Akten. Für neue Gräber. Für etwas, das sich Ordnung nennt, aber keine mehr ist. Ein dunkler Schleier hat sich über unser Land gelegt. Er trübt das Dorf- und Stadtbild.

Das Ungenaue, das Zufällige, das Unberechenbare soll nun gezähmt werden wie ein Brei, der in eine Blechform gedrückt wird. Und jene an vorderster Front, die Bürgermeister, können die Realität nicht mehr übertünchen. Wer aber über den Tellerrand blickt, verletzt die staatliche Ordnung. Ordnung muss sein, selbst wenn sie der Vernunft widerspricht.

Gerade unordentliche Ereignisse werden deshalb ordentlich abgearbeitet. Wie die Auswirkungen der Migration zum Beispiel. Ist ja nur ein weiterer Fall beim Amt. Wird ordentlich aufgenommen, ordentlich geprüft, ordentlich weitergeleitet. Alles muss eben seine Ordnung haben.

Oder ein Messerangriff. Wieder einer. Die Polizei bearbeitet ihn ordentlich, Formular A-08/15. „Ein Mann“ wird ordentlich in Gewahrsam genommen, ein ordentliches Gericht prüft den Fall. Und am Ende wird er ordentlich wieder freigelassen. Alles nach Vorschrift. Alles im System. Alles ordentlich.

„Ordnung muss sein“, sagt man, und deshalb wird auch das Böse ordentlich verwaltet. Die Schleifen an den Kränzen der Ermordeten sind ordentlich bedruckt.

Alles hat seine Ordnung.


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