Die Elektrifizierung der schönen Neuen Welt und deren Tücken

focus photo of yellow train

Wie der Saftladen Berlin baden geht

#Den Begriff „Saftladen“ nur auf das derzeitige politische Geschehen anzuwenden wäre pure Untertreibung. Der Volksmund versteht unter einem Saftladen Betriebe, Behörden, Schulen, Dienstleister etc., deren Nutzen unzureichender Natur ist. Nähern wir uns nachfolgend diesem Thema, das zumindest einen Hauch unterhaltsamen Nährwerts bietet.

Eine gewisse Renaissance des Wortes „Saft“, für das was aus der Steckdose kommt, war längst überfällig. Es bestünde doch die unverzeihliche Gefahr, dass das von alten weißen Männern erfundene Fluidum, unsichtbar wie die Gedankenwelt der Nutzer, anhebt im Nirwana des Historischen verlustig zu gehen.

Vom Kamelbesitzer zum Teslafahrer

Führte ehedem der Reisende hoch zu Ross selbiges zuweilen an steinerne Tankstellen, Tränken genannt, um die Betankung in wenigen Minuten und Schlücken auf natürliche Weise und völlig kostenlos zu ermöglichen. Die Zeiten haben sich doch sehr geändert, dass es ein jeder, so er ein offenes Auge hat, es selbst erblicken kann. Und dies ganz besonders in Berlin. Problematischer gestaltet sich deshalb „im besten Land, in dem wir jemals lebten“, die Suche nach zeitgenössischem Saft aus der Steckdose als die Suche nach Flüssigem im australischen Busch. Ohne diesen Saft ist angelehnt an Moos, nichts los.

Seit Alters her ist jedem in weiße Bettlaken gewandeten Kamelbesitzer bekannt, wie sich dessen „Reichweite“ laut mündlich überlieferter Gebrauchsanweisung verhält. Erfahrungswissen dieser Art scheint jedoch auf moderne Zeiten nur schwer anzuwenden zu sein. Der Autor erlebte schmerzlich am eigenen Leibe, besonders jedoch an seinen zarten in dünnen Zwirn gehüllten Beinen, die bittere Kälte eines Berliner Wintertages. Der Lenker des elegant anmutenden Elektrotaxis, ob der ungünstig niedrigen Innenraumtemperatur angesprochen, erklärte sachkundig: Er habe die Heizung zur Schonung der Tesla-Batterie ausgeschaltet. Anderenfalls würden sich Reichweite und sein Tageseinkommen mehr als halbieren. Ob ich eine Decke wolle. Er reichte mir selbige, mit orientalischen Mustern verzierte, auf die Rückbank mit der Bemerkung „ganz warm, von Woolworth“. Ähnlich serviceorientierte Lösungen erleben wir ansonsten nur im Urlaub im Dezember in Ägypten. Offene Pferdekutschen und die darin Transportieren schätzen wollene Decken ebenso. Um aber von Charlottenburg nach Istanbul, sprich Kreuzberg, nicht zu frösteln, wären ein bis zwei Schlücke Doppelkorn hilfreicher, doch der freundliche wie bärtige Lenker hatte diese Erfahrung kulturell bedingt nicht verinnerlicht.

Wenn der Saft ausgeht

Innovative Lösungen, um den der Modernität durchaus zugeneigten Taxigast zufriedenzustellen, täten mehr als Not. Befinden wir uns doch nicht nur in einer Landeshauptstadt, sondern gleichzeitig auch im Mekka der bundesdeutschen Gründerszene, welche mit Abermillionen gepudert wird. Doch Erfindungen, die frierenden Beine der Fahrgäste in wohlige Wärme zu hüllen, blieben bislang aus. Der begehrte Saft aus der Steckdose, bei Wind- und Sonnenscheinflauten aus polnischen Kohlekraftwerken stammend, hat eben seine Tücken. Zum einen soll sich das Elektro-Taxi nicht nur vorwärts bewegen, sondern auch den verwöhnten Fahrgast zusätzlich wärmen, wie an dessen Herstellungsort Kalifornien. Doch dieses Ziel scheint derzeit unerreichbar zu sein. Gänzlich unzweckmäßig wäre es, das moderne Fahrzeug mit einem 10 Kilometer langen Stromkabel zu versehen, um permanent mit einer Saftdose verbunden zu sein. An die praktischen Verwicklungen ist dabei gar nicht zu denken, wenn mehr als drei dieser Kutschen gleichzeitig sich so verhielten, als schafften sie das.

Neubürgers Innovationskraft

Was bei der Elektrifizierung des Verkehrsproblems derzeit noch nicht gelingen mag, feiert jedoch mitten in Berlin anderweitig fröhliche Urständ. Im berühmten wie berüchtigtsten aller Berliner Parkanlagen, dem Görlitzer Park, nutzen findige Einzelhändler von nachwachsenden Rohstoffen ein besonders praktisches Elektrogerät. Von selbigen Hochtechnologien, im Stadium eines Pilotprojekts, erfahren nur jene ganz nebenbei, die im selbigen Park gerne lustwandeln, ohne das dortige Konsumangebot zu würdigen.

Neu ist eine mobile elektrische Safttankstelle (vulgo Batterie-Powerbank), 10 (zehn) Kilogramm schwer, welche ganz sicher ohne Gewerbeanmeldung betrieben wird. Diese wurde in einem irgendwie und irgendwann verlustig gegangen Einkaufswagen platziert. Der findige Jungunternehmer, noch nicht zu den länger hier schon Lebenden zählend, macht das Geschäft seines Lebens. Seine diverse Kundschaft, im bereits erwähnten Handel mit getrockneten biologischen Gräsern tätig, leidet nämlich große Not. Der Saft in deren Mobiltelefonen neigt dazu, bei der Entgegennahme der vielen telefonischen Bestellungen schnell zur Neige zu gehen. Das Gartenbauamt der Stadt, wirtschaftlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit, vergaß auf sträfliche Weise im Görlitzer Park Stromsteckdosen an den Parkbänken anzubringen. „Ausruhen und laden“, diese Kombination erfreute doch jeden Touristen und dessen Mobiltelefon. Noch ist es nicht so weit. Dass Dinge in Berlin etwas länger dauern macht geduldig.

Saft mit Kulturbereicherung

Der dringend benötigte Elektro-Saft steht nun endlich und mobil, anders als bei der leidvoll erlebten Tesla-Taxifahrt, allen multikulturellen Kleingewerbetreibenden ausreichend zur Verfügung. Er dient doch praktischerweise der erwünschten Aufrechterhaltung des rot-rot-grün geduldeten Geschäftsbetriebes. Der moderne Tankwart bietet also an, dass bei ihm Handys aufgeladen werden können. Das damit erzielte Einkommen aus dem Verkauf von Handyaufladestrom braucht, wie auch, nicht versteuert zu werden. Wie bei gewissen Politikern ebenfalls üblich, werden gewisse Einnahmen aus Prinzip, Toleranz und Weltoffenheit generell nicht verbucht, was die Steuerbehörden zudem entlastet.

Geht diesen Geschäftshandys, deren moderne Mikrofone alle Sprachen der Welt verstehen, der Saft aus, so leiden folglich die Geschäfte, die ja auf die telefonische Bestellannahme, ähnlich wie beim Pizzaservice, angewiesen sind. Deshalb dient diese innovative und unter Saft stehende Mobiltankstelle als besonders leuchtendes Beispiel der Innovationskraft Berlins. Eine einzige Safttankstelle, Slogan „Watt to go“, mit zwei Zehnfachsteckdosen dient somit dem Florieren des Geschäftsgangs und zur Sicherstellung des Wohlbefindens der des Trostes so sehr bedürftigen Bewohner Berlins.

Saft häppchenweise

Das Angebot, einmal Handy laden zu fünf Euro, zeigt ein gut kalkuliertes Geschäftsmodell, das nach einer unmittelbaren Expansion schrie. So liegen mittlerweile fünf Mehrfachsteckdosen mit je 10 Saftauslässen über einer, dem Berliner Flair entsprechend ramponierten grünen und hölzernen Parkbank. Diese avancierte auch gleichzeitig zum internationalen Treffpunkt geschäftstüchtiger Herren aus aller Welt.

Noch haben die toleranten Berliner Schutzmänner keinen bunten Kreidekreis um die Safttankstelle gezogen, um ein Immunitätsareal zu kennzeichnen, wie es für den mobilen Grashandel aus der Jackentasche städtischerseits bereits eingeführt wurde. Die Safttankstelle des Herrn Ibrahim Mbroh befindet sich in Höhe des derzeit geschlossenen Kinderbauernhofs des Görlitzer Parks. Und zwar just dort, wo auch mobile Händler von Bewusstsein erweiternden Substanzen temporär und sprichwörtlich ihre Zelte aufschlugen. Die mitgeführte regenbogenfarbene Zeltplane über die Tankstelle gespannt, schützt bei misslichen klimatischen Bedingungen Ladevorgänge wie auch deren Telefonbesitzer. Süßliche Rauchentwicklungen darunter stammen, darauf weist der Tankstelleninhaber hin, nicht von seiner Batterie aus chinesischer Produktion.

Der Betreiber des mobilen Einmannkraftwerks geht vom sprichwörtlichen Berliner laissez faire aus, das auch gegenüber seinen sinnesgetrübten Kunden seit Jahrzehnten bereits geübt wird. Anders ist hier das Überleben in Berlin einfach nicht möglich. Gut, wer alternative bayerische Substanzen, mit Hopfen gebraut, kennt und bevorzugt.

Der Autor, ein Bayer, den es nach Berlin verschlug, notiert in Chronistenart was ihm ins Auge springt, um künftigen Generationen von Historikern eine bestens alimentierte Aufgabe und Brot zu sichern.



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