Augenschmaus im Klimahaus oder wie man Weltretter wird

von Roger Letsch

Augenschmaus im Klimahaus oder wie man Weltretter wirdDu fährst nach Bre­mer­ha­ven? Dann musst Du unbe­dingt das „Kli­ma­haus“ besu­chen! Unglaub­lich, was die da auf die Beine gestellt haben!“ So etwa lau­te­ten die Auf­for­de­run­gen und da es mich nicht so oft an diesen Küs­ten­ab­schnitt ver­schlägt, wollte ich die Gele­gen­heit unbe­dingt nutzen. Der Mai schickt kaltes Wetter, was läge also näher, als sich im Kli­ma­haus darüber zu infor­mie­ren, was es denn so mit dem Klima auf sich hat. Viel­mehr mit dem Konzept des Hauses, entlang des 8. Län­gen­gra­des einmal rund um die Erde zu reisen. Dass man dazu einem Peter Lustig, der hier Axel Werner heißt, einen Alu­mi­ni­um­kof­fer in die Hand drückt und als eine Art „roten Faden“ durch die Sta­tio­nen laufen lässt, zeigt die eigent­li­che päd­ago­gi­sche Ziel­gruppe des gesam­ten Kon­zepts: Kinder im Frei­tags nicht schul­pflich­ti­gen Alter und Erwach­sene, die sich wie solche auf­füh­ren. Die 17 Euro Ein­tritt kann man sicher von der CO2-Steuer abset­zen.

Überwältigungstheater im Klimahaus

Dabei ist die Idee gar nicht so übel, gerade wenn man an die „Päd­ago­gik der Erfah­rung“ glaubt und dem ergoo­gel­ten Wissen der Genera­tion Smart­phone etwas ent­ge­gen­set­zen will. Denn was man da in Bre­mer­ha­ven an den Strand geklotzt hat, ist eine über­di­men­sio­nale, begeh­bare Wiki­pe­dia, die den Besu­chern im Stil Willy Wonkas Scho­ko­la­den­fa­brik Wetter prä­sen­tiert und dabei über den Kli­ma­wan­del phan­ta­siert. Über­wäl­ti­gungs­thea­ter in aus­ge­klü­gel­ten Kulis­sen, wo Inhalte klein­ge­druckt aber Gefühle groß­ge­schrie­ben werden. Das gefüh­lige Kli­schee des „Wir-sind-an-allem-Schuld“ ist der nächste Faden, der sich durch das ganze Haus zieht. Und wo die Aus­stel­lung mit ihren Inter­ak­tio­nen, Mul­ti­me­dia­schnip­seln, der Tem­pe­ra­tur und der Luft­feuch­tig­keit noch Zweifel am Zweck der Simu­la­tion zulas­sen, erzäh­len bestens auf­ge­legte Haus-Gretas den Besu­cher­grup­pen, wie bedroht die Welt ist und wie hilf- und schuld­los die Bewoh­ner Nigers, Kame­runs, Samoas oder Alaskas dem bösen men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del aus­ge­setzt sind.

Da in der Schweiz-Simu­la­tion das Geläut der Kuh­glo­cken nicht enden will, kann man sich bereits denken, dass auch in Sar­di­nien, Mali oder Kamerun mit Kli­schees nicht gespart wird. Überall begeg­net der Besu­cher unschul­di­gen indi­ge­nen Völk­chen, denen west­li­che Kli­ma­zer­stö­rer mut­wil­lig die Lebens­grund­lage zer­tram­peln. Überall rasante Ände­run­gen, für die man jeman­den ver­ant­wort­lich machen muss. Die Res­sour­cen werden knapper, beson­ders Wasser? Das kann nicht an der Bevöl­ke­rungs­ex­plo­sion in Afrika liegen! Die Wüste breitet sich immer weiter aus? Gebt bloß der Über­wei­dung oder dem sin­ken­den Grund­was­ser­spie­gel wegen Raub­baus an den Was­ser­vor­rä­ten keine Schuld! Das alles ist der Kli­ma­wan­del. Er muss es einfach gewesen sein. O-Ton von der Web­seite: „Die Mahnung, die in der Gesamt­in­sze­nie­rung steckt, ist nicht zu über­se­hen.“ In der Tat, das ist fast unmög­lich. Und während die Macher des Kli­ma­hau­ses ver­su­chen, durch die Simu­la­tion von Wärme und Kälte etwas über das Leben in fernen Ländern aus­zu­sa­gen und eine posi­tive Rück­kopp­lung zum Ver­hal­ten der kul­tur­sen­si­blen Besu­cher des Kli­ma­hau­ses her­zu­stel­len, ver­glei­chen diese – sofern sie dem Kin­des­al­ter ent­wach­sen sind – die mul­ti­me­diale Völ­ker­schau des Gebo­te­nen mit der Rea­li­tät. Und da steht es nach dem Besuch leider 8:0 für die Rea­li­tät.

Aber da gibt es ja noch die Kind und Kevin geblie­be­nen, für die Fakten höchs­tens das sind, was den Gefüh­len im Weg steht. Natür­lich ist der Regen­wald nicht dunkel wie eine Geis­ter­bahn. Natür­lich leben nicht nur noma­di­sche Tuareg in Mali und natür­lich leben Kame­ru­ner auch in Mil­lio­nen­städ­ten, kleiden sich west­lich und handeln mit Wert­pa­pie­ren. Fakten sind jedoch nur dann hilf­reich, wenn sie helfen, die zu erzeu­gen­den Gefühle zu for­ma­tie­ren. Warum sonst sollte man in eine Aus­stel­lung, die das Klima als ganzes und Kli­ma­zo­nen im spe­zi­el­len zum Gegen­stand hat, ein Fass mit radio­ak­ti­vem Abfall oder ein mit Plas­tik­müll ver­seuch­tes Meer dar­stel­len, wenn es nicht um die Bestä­ti­gung der Schuld­frage ginge? Skru­pel­los werden im gesam­ten Haus Klima, Wetter, Umwelt­zer­stö­rung, Unbil­dung und jede denk­bare Art mensch­li­chen Fehl­ver­hal­tens zu einem Teig zusam­men­ge­rührt und auf NGO-Blech schön knusp­rig zu Kli­ma­wan­del geba­cken. Spä­tes­tens wenn ein Klavier inmit­ten eines Büh­nen­bil­des aus Eis­wür­feln steht und auf der Lein­wand dahin­ter ein von Green­peace prä­sen­tier­tes Kla­ge­lied über die Eis­schmelze ange­stimmt wird, muss ich husten. Zu trocken, dieses ideo­lo­gi­sche Gebäck. Raus aus dieser ideo­lo­gi­schen Halb­wüste und ein kühles Getränk suchen.

Nichts wie raus?

Nicht ganz. Ein Lob möchte ich den Machern nicht vor­ent­hal­ten. Denn wenn es auch Wahn­sinn ist, so hat es doch Methode und vor allem Stil. Oder um es mit den Worten von John Hammon aus „Juras­sic Park“ zu sagen: Wir haben keine Kosten gescheut. Zwar hat man unter der futu­ris­ti­schen Fassade, die das neue Wahr­zei­chen der Stadt ist, einen Furz zum Fackel­zug auf­ge­bla­sen, aber man hat sich große Mühe dabei gegeben, eine Art Tempel des schlech­ten Gewis­sens zu ent­wer­fen, in dem geschulte Jünger die Ungläu­bi­gen Sünder auf einer Via Dolo­rosa des Ver­der­bens um die Welt führen. Läu­te­rung ist der Weg – vom Kli­ma­sün­der zum Welt­ret­ter werden zu können, die Beloh­nung.

Ketzern wie mir bleiben solche Sakra­mente natür­lich ver­wehrt, denn wer im Kli­ma­haus nur von Raum zu Raum geht, neues Wissen sucht und weil er das nicht findet statt­des­sen das Büh­nen­bild bewun­dert, „Aha, ein anderes Klima. Jacke an/aus, pass dich ans Klima an“ murmelt und sich ansons­ten in dieser Hal­tungs­schmiede der Greta-Jugend völlig deplat­ziert fühlt, der sollte es viel­leicht eher in einer anderen öffent­li­chen Über­wäl­ti­gungs­an­stalt ver­su­chen, die in Bre­mer­ha­ven keine 100 Meter ent­fernt wartet: im Deut­schen Aus­wan­der­er­haus*. Kleiner Wer­muts­trop­fen: bei der Aus­stel­lung dort handelt es sich nicht um eine Kirche, weshalb man im Aus­wan­der­er­haus im Unter­schied zum Kli­ma­haus nicht hei­ra­ten kann. Noch nicht.

* Das Aus­wan­der­er­haus kommt zwar eben­falls nicht ohne Subtext und Emo­tio­na­li­sie­rung aus und am Ausgang lauert zudem ein Foto von Robert Habeck samt Widmung, aber dafür hat es inhalt­lich sehr viel mehr und Kon­kre­tes zu bieten. Wirk­lich emp­feh­lens­wert.


Quelle:unbesorgt.de



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