#Lübeck: Wie plausibel ist die Geschichte vom “psychisch kranken” Messerstecher?

Attentäter psychisch krank?

Der Angreifer aus Lübeck leidet anscheinend unter schweren psychischen Problemen – das sagte sein Vater zu SPIEGEL TV. Reicht das als Erklärung aus?

Was zum Täter bekannt gegeben wurde, ist äußerst spärlich, aber genügt den Medien, um daraus eine Psycho-Geschichte zu stricken. So eine Story hat man der Öffentlichkeit schon einmal aufgetischt, man erinnere sich an den Münchner “Amokläufer Ali David S.”, dessen Tat sogar als rechtsradikal eingestuft wurde. Er stammt ebenfalls aus dem Iran, seine Herkunft wurde mit der Namensangabe “David S.” zunächst verschleiert.

Zurück zu Lübeck. Der Täter habe mit Religion nichts am Hut gehabt, sagt der Vater. Er fühlte sich von Nachbarn verfolgt, glaubte er würde “bestrahlt” und trug am Tag des Messerangriffs schwere Winterbekleidung. Weiter ist noch bekannt, dass er Bundeswehrsoldat war. Als solcher hätte er u.a. wissen müssen, das man mit “Brandbeschleuniger in einem Rucksack” schwerlich einen Bus in Brand setzen kann, das sei nur nebenbei bemerkt.

Die geschilderten Symptome, die freilich nicht aus seiner Krankenakte stammen, passen zu mehreren Krankheitsbildern aus dem nur schwer zu definierendem Feld “Psychische Erkrankungen”. Neigen “psychisch Kranke” tatsächlich eher zu solchen Gewalttaten? Die Qualitätspresse meinte dazu noch vor wenigen Jahren eher NEIN. Anlässlich der Verschärfung des bayrischen Psychiatriegesetzes liefen zahlreiche Verbände Sturm und entrüsteten sich, man solle “psychisch Kranke” nicht wie Kriminelle behandeln.

Und das schreibt die Fachpresse:

Eine Auswertung der Literatur des letzten Vierteljahrhunderts in der Zeitschrift “Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie” (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) gelangt zur Aussage, dass das Risiko für Kriminalität und Gewaltkriminalität bei Patienten mit Psychosen, verglichen mit dem der Allgemeinbevölkerung, leicht erhöht ist. Dies gilt primär für Patienten mit der Diagnose Schizophrenie. Allerdings ist diese Risikoerhöhung deutlich geringer als die bei Patienten mit Alkohol- und Drogenmissbrauch beziehungsweise Persönlichkeitsstörungen. Sie ist in erster Linie schichtspezifischen Merkmalen und dem bei schwer psychisch Kranken deutlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung zu beobachtenden Substanzmissbrauch zuzuschreiben. Nur bei schwerer und schwerster Gewalttätigkeit ist auch unter Berücksichtigung sozialer und zusätzlich krank machender Faktoren ein direkter Einfluss der Psychose, vor allem in Form paranoid-halluzinatorischer Symptomatik, nachweisbar. 

Quelle: dr-mueck

Die Erklärung “psychisch krank” vor dem Hintergrund der deutlichen Zunahme von Messerangriffen und ähnlichen “Amokläufen” von Tätern mit bestimmten Hintergründen, die man aus Gründen der “politischen Korrektheit” gerne verschweigen möchte, reicht mir nicht aus. Ich habe in meiner langjährigen Tätigkeit im sogenannten “sozialen Bereich” gerade auch immer wieder mit sogenannten “psychisch Kranken” zu tun gehabt. Viele davon hörten Stimmen, trugen der Temperatur unangepasste Kleidung und schilderten Beeinflussungen durch unsichtbare Strahlen, für die sie Nachbarn, Geheimdienste oder Rivalen am Arbeitsplatz verantwortlich machten. Ein Teil solcher Patienten zeigt aggressives Verhalten, vor allem wenn gegen den eigenen Willen eine Einweisung vorgenommen werden soll oder schlecht geschultes Fachpersonal den Versuch unternimmt, ihnen den Wahn auszureden. Die Neigung zu Gewalt in Ausnahmesituationen zeigt sich allerdings meistens als spontaner Ausbruch, der sich oft auch gegen die eigene Person richtet. Planmäßiges Vorgehen deutet eher auf einen anderen Hintergrund hin.

Beim Lübecker Messerstecher müsste ein Gutachter ran, aber ob dieser aufgrund des grundsätzlichen Interessenkonfliktes als vom Gericht bestellter Sachverständiger dann auch zu einer neutralen Sichtweise fähig ist, mag man nach all den Psychiatrieskandalen der letzten Jahre nur bezweifeln. Beate Zschäpe gilt jedenfalls als voll schuldfähig, ihren beiden Uwes, wenn sie denn noch leben würden, wäre es wohl nicht besser ergangen. Man spricht zwar gerne von Rassenwahn, aber als Symptom einer psychischen Erkrankung gilt das nicht. Psychisch krank ist immer das, was von der Norm abweicht und wird von denen definiert, die die Normen festlegen.

 



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