Der Fall Kahane: Vera Lengsfeld legt nach

Gedenktafel am ehemaligen Stasi-Gefängnis Lichtenberg – foto: O24

Vera Lengsfeld

Aufarbeitung des DDR-Unrechts nach Maßgabe einer Inoffiziellen Mitarbeiterin der Stasi?

Nachdem ich im gestrigen Beitrag der ungeklärten Frage nachgegangen bin, wer eigentlich die Einladenden zu der Tagung über den angeblichen „rechten Rand der DDR-Aufarbeitung“ am kommenden Donnerstag, den 14. Februar in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung sind, untersuche ich heute, was diese „Fachtagung“ eigentlich bezweckt.

Liest man das Einladungsschreiben ist die Tendenz ganz klar: Es geht gegen die Gedenkstätten des DDR-Unrechts, die in ehemaligen Gefängnissen für politische Gefangene gegen erhebliche Widerstände der ehemaligen Täter eingerichtet wurden.

Seit die DDR von ihren rebellischen Bürgern im Ergebnis der Friedlichen Revolution abgeschafft wurde, tobt der Kampf um ihr Bild in der Geschichte. Die alten SED-Kader und die Mitarbeiter der Staatssicherheit hatten das größte Interesse daran, den Diktaturcharakter des zweiten deutschen Staates zu vertuschen. Dabei erzielte die SED, die sich nach viermaligem Namenswechsel heute Linke nennt, beträchtliche Erfolge. Weil es dem letzten SED-Chef Gregor Gysi, der die Parteiführung im Dezember 1989 übernahm, gelang, die Auflösung der Partei zu verhindern- das Hauptargument war, dass dann das Vermögen verloren gehe – stand der Partei ein riesiger Apparat weiter zur Verfügung.

Die umfangreichen SED-Ressourcen konnten im Vereinigungsprozess und danach erfolgreich für ideologische Kampagnen eingesetzt werden. Eine Schlüsselrolle kam dabei von Anfang an dem „Kampf gegen rechts“ zu. Die SED-PDS inszenierte sich als die Kämpferin gegen den angeblich drohenden Rechtsruck des vereinten Deutschlands.

Am 28. Dezember 1989 beschmierten Unbekannte die Steinsarkophage und den Sockel der Krypta des Sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow mit rechtsextremistischen Parolen. Sofort verkündete die SED-PDS auf allen ihr zur Verfügung stehenden Kanälen, dass der oder die Täter aus der rechtsextremen Szene kämen, und veranstaltete am 3. Januar 1990 eine Massendemonstration, an der sich 250.000 Genossen beteiligten. Der Parteivorsitzende Gysi forderte bei dieser Gelegenheit einen „Verfassungsschutz“ als Ersatz für die Staatssicherheit der DDR. Der Historiker Stefan Wolle hält es deshalb für möglich, dass hinter den Schmierereien Stasi-Mitarbeiter steckten. Geklärt ist die Täterschaft bis heute nicht.

Die Gedenkstätten in den ehemaligen Stasigefängnissen, Haftanstalten und geschlossenen Jugendwerkhöfen sind den SED- und Stasitätern ein besonderer Dorn im Auge.

Jetzt kommt die Attacke mit Hilfe des Vorwurfs „rechter Tendenzen“ und kann damit zu dem führen, was viele schon länger wollen: Die Uminterpretation des DDR-Unrechts. Der „Fachtagung“ in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung kommt dabei offensichtlich die Rolle zu, „Beweise“ zu sammeln für eine erfolgreiche Kampagne gegen die Gedenkstätten. Dass dabei ausgerechnet eine ehemalige Stasi-IM eine Schlüsselrolle einnimmt, ist besonders gruselig.

Aber bei dieser Tagung spielt nicht nur Anetta Kahane eine zentrale Rolle. Sondern auch ein gewisser Enrico Heitzer. Und der ist wohlbekannt. Dazu möchte ich aus dem Brief der geschäftsführenden Leiterin des Menschenrechtszentrums Cottbus an die Landeszentrale für Politische Bildung Berlin zitieren:

„Wir als Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. sind Teil des Programms. Der Referent über uns, Enrico Heitzer, kritisiert uns und die von uns geführte Gedenkstätte seit Jahren. Dies kann er von mir aus tun. Aber nicht in der Art und Weise, wie er es tut – einseitig, böswillig, mit sarkastischen und herabsetzenden Kommentaren, nicht konstruktiv. Er lässt weder Gegenargumente zu, noch akzeptiert er einen eigenen Weg der Aufarbeitung von Unrecht. Entweder soll man sich nach seinen Richtlinien richten, ansonsten wird man niedergemacht, was er auch fleißig seit Jahren gegen uns praktiziert. Mittlerweile kommt es mir wie ein ideologischer Kampf gegen uns vor. Herr Heitzer war bei uns am 14. Januar 2019, um sich, wie er sagte, wegen einer Rezension, über unser pädagogisches Konzept, unseren Stand in der Stadt Cottbus usw. zu erkundigen. Wir nahmen sein Anliegen ernst und waren von uns aus an dem Tag zu viert, damit jeder aus seinem Fachgebiet Antworten geben kann. Die Methodik der Befragung durch Herrn Heitzer während des dreistündigen Gesprächs war wie bei einer Vernehmung, was ich ihm als Leiterin auch mehrfach gesagt habe. Er hat auch nicht mit offenen Karten gespielt, dass er eine Veranstaltung vorbereitet, bei der wir mit einem Referat von ihm einen Teil ausmachen.“

Ein anderer Referent ist der Journalist Markus Decker, der ebenfalls seit geraumer Zeit in einseitiger und böswilliger Weise Bürgerrechtler der DDR und Mitarbeiter der Gedenkstätten des DDR-Unrechts attackiert.

Und dann noch dies: „Erfahrungen von Studierenden in der Gedenkstätte Hohenschönhausen“, Referentin: Annica Peter – ich finde es besonders verwerflich, dass hier ein ‚Erfahrungsbericht‘ einer Studentin der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, ohne dass die betroffene Gedenkstätte oder ihre Referenten sich adäquat zu möglichen Vorwürfen äußern können.

„Ein Tribunal“ sei “nicht intendiert” wird im Einladungsschreiben versichert. Das stimmt insofern, als bei Tribunalen die Angeklagten anwesend sind und sich verteidigen können. Bei der „Fachtagung“ handelt es sich eher um eine geschlossene Gesellschaft, die ihre Urteile entsprechend ihrer ideologischen Vorurteile fällen will. Offenbar sollen die neuen Kriterien der Aufarbeitung des DDR-Unrechts nach Maßgabe einer Stasimitarbeiterin erfolgen, im Sinne derer, denen sie früher gedient hat. Ein solcher Skandal ist wohl nur in Deutschland möglich.

Wer schweigt, stimmt zu!

Quelle: vera-lengsfeld.de



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