von Roger Letsch
Um zu untersuchen, in welchem Zustand die deutsche Energiewende und der Netzausbau sind, muss man den Reden ihrer politischen Herolde lauschen. Annalena Baerbocks Ausspruch im Interview mit dem DLF, als sie das Netz zum Speicher erklärte und behauptete, „das ist alles ausgerechnet“, war bislang nur die verrückteste Äußerung. Damit schaffte sie es kurzfristig, an Jürgen Trittins Aussage vorbeizuziehen, der einst behauptete, die Energiewende werde den Bürger monatlich nicht mehr kosten als eine Kugel Eis. Mittlerweile wissen wir, dass der Preis für das Eis immer heißer wird und Baerbocks nachgeschobene Begründung, mit „das Netz“ sei das Stadtgasnetz gemeint, weit weniger lustigere Effekte als Knallgas-Experimente im Chemie-Unterricht zur Folge hätte. Doch nun folgt die nächste Volte, indem man einen Stromspeicher mal eben zum Netz-Ersatz erklärt. Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal hier bei Spiegel-Online nach!
In Kurzform: weil die neuen Stromtrassen „unbeliebt“ seien – will heißen, die Planverfahren kommen aufgrund massiver Bürgerproteste weder über noch unter der Erde so recht voran und die Kosten für untererdige Gleichstromtrassen misst man in der Einheit „Apollo-Mondlandungen“ – müsse man nun im Süden der Republik gigantische Li-Ionen-Speicherbatterien bauen. Diese Speicher könne man auch „über das herkömmliche Netz“ laden und die würden dann den wegen der engen Stromtrassen immer wieder notwendigen Redispatch glätten. So stellt der Spiegel das dem Leser dar, nicht ich. Ich gehöre ja eher zu jenen, die seit Jahren auf die technische Unzulänglichkeit des grünen Zappelstroms aufmerksam machen, der zur Netzstabilität leider überhaupt nichts beitragen kann, weshalb man ihn über Speicher glätten müsse. Die kurzfristige Glättung ist dabei technisch nicht mal ein so großes Problem (nur ein erheblich finanzielles, wie wir noch sehen werden), sondern die langfristige, Jahreszeitliche Glättung. Der gedachte „Stromspeichersee“, der diese Schwankungen ausgleichen könnte, ist zwar in der Theorie vorhanden, aber praktisch nicht machbar! Die Welt ist einfach zu klein dafür.
Redispatch wegen fehlender Leitungen?
Allerdings pressiert seit kurzem ein anderes technisches Problem, nämlich die planmäßige Abschaltung der letzten grundlastfähigen AKW und bis 2038 auch noch der Kohlekraftwerke. Es stehen also immer weniger grundlastfähige Kraftwerke zur Verfügung. Der grüne Zappelstrom mit eingebauter Vorfahrt sorgt dafür, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, die Netzfrequenz stabil zu halten. Immer häufiger wird ein „Redispatch“ nötig, weil Unterkapazitäten durch Zuschalten von Kraftwerken oder Lastabwurf großer Abnehmer ausgeglichen wird und Überkapazitäten aus Wind und Sonne irgendwohin abfließen müssen. Ursache dieser Schwankungen ist das EEG-System selbst und somit die politisch vorgegebene Marschrichtung in eine Öko-Planwirtschaft.
Der geplante Batteriespeicher ist denn auch nichts anderes als ein riesiger und irre teurer Kondensator, der sich schnell schalten lässt und so das Zeitfenster für einen künftigen Redispatch etwas vergrößert und dem Netzbetreiber für eine kleine Weile Luft zur Regelung verschafft, bis noch mehr Grundlastkraftwerke vom Netz gehen und der „Kondensator“ noch größer werden muss. Keinesfalls kann diese oder irgendeine Batterie eine Übertragungsleitung ersetzen. Das Problem, dass in windigen Zeiten große Mengen des in der Nordsee produzierten Off-Shore-Windstroms nicht abfließen können, besteht ja weiterhin, ganz gleich, wie die Speicher in Baden-Württemberg geladen werden. Statt hier aber das Politikversagen der Energiewende als Ursache zu benennen, bekommt der renitente Bürger den schwarzen Peter zugeschoben, weil der die Frechheit besitzt, den Trassenbau zu verhindern! Motto: ihr wollt keine Netze? Dann bauen wir euch Speicher!
Falsches Spiel mit Leistung und Kapazität
Mit welchem Blendwerk der Spiegel seine Leser desinformiert, sieht man gerade im Zusammenhang mit der Energiewende immer wieder an den präsentierten Zahlen. Die Leistungsstärke der in Kupferzell geplanten Anlage betrage 500 Megawatt und in Moss Landing (Kalifornien) plane der Versorger PG&E „bis Ende 2020 ein komplettes Gaskraftwerk durch Lithium-Akkus zu ersetzen“. Auch hier das typische Spiel mit der Unkenntnis der Begriffe. 500 Megawatt, das klingt, als könne man mit einem Akku-Park fast das Steinkohle-Kraftwerk Rostock (600 MW) ersetzen. Pustekuchen! Denn über welchen Zeitraum diese 500 Megawatt zur Verfügung stehen, erwähnt der Spiegel nicht. Minuten? Stunden? Tage? Im Gegensatz zu einem Akku läuft so ein Kraftwerksblock üblicherweise fast das ganze Jahr, während man aus einer Batterie nur das herausholen kann, was man vorher hineingesteckt hat. Geradezu albern ist die Vorstellung, ein Akku könnte ein (theoretisch, in Deutschland nicht praktisch) grundlastfähiges Gaskraftwerk ersetzen. Der kalifornische Betreiber PG&E ist auch kein Beispiel für cleveres Energiemanagement. Er hat lediglich beschlossen, aus der Erzeugung von Strom auszusteigen und sein wirtschaftliches Glück als kurzfristiger Pufferspeicher für den Strom zu versuchen, den andere erzeugen. Das ist kein „Ersatz”, das ähnelt eher dem Müller, der zum Bäcker umschult.
Mega oder Giga oder Watt?
Bemerkenswert ist auch der Preis. „Brancheninsider“ schätzen laut SPON, dass 900 Megawatt dieser Batteriespeicher eine Milliarde Euro kosten werden, laufende Wartungen und der alle paar Jahre fällige Austausch der Speicherzellen nicht mitgerechnet. Aber vielleicht liegt hier der Schlüssel zur tatsächlichen Kapazität der in Baden-Württemberg geplanten Anlagen und wir können mit ein wenig Dreisatz mal hinter die Kulissen gucken. Setzt man die Kennzahlen an, die der Spiegel selbst für ein vergleichbares Projekt in Australien veröffentlichte (42 Millionen Euro für 129 MWh installierte Batteriekapazität, 100 MW Leistung), bedeutet dies, dass hinter den 900 Megawatt Leistung ganze 3.000 MWh Kapazität stecken. Das klingt viel und hilft sicherlich, das Netz kurzfristig zu glätten, ist aber wenig und völlig untauglich, als nennenswerter Speicher für Zappelstrom zu fungieren oder fehlende Übertragungswege zu ersetzen. Denn 3.000 MWh sind nur 3 GWh und der Speicher wäre bei Vollast in etwa drei Stunden leer. Um diese kurze Pufferzeit geht es TransnetBW und die sind sicher bitter nötig – aber nicht, um die fehlenden Strom-Trassen zu ersetzen, sondern den volatilen Strom aus Sonne und Wind mit den immer weniger werdenden Grundlastkraftwerken auszugleichen!
Zum Kapazitätsvergleich: Das Kohle-Kraftwerk Rostock, nicht gerade eines der größeren hierzulande, produziert mit seinen 600 Megawatt Leistung etwa 1.720.000 MWh pro Jahr, (umgerechnet auf 500 Megawatt, um einen Vergleich zum geplanten Batteriespeicher zu haben, wären das also etwa 1.433.000 MWh (1.433 GWh)). Sicher haben Sie schnell ausgerechnet, dass man weitere 573 milliardenteure Batteriespeicher bräuchte, um auch nur die Energie zu puffern, die aus einem mittelgroßen Kraftwerk wie dem in Rostock kommt. Vorausgesetzt, wir bauen die Speicher so preiswert, wie Tesla seine Anlage in Australien.
573 Milliarden Euro sind also nötig, wollte man einen Batteriespeicher bauen, der über das ganze Jahr eine Leistung abgeben kann, wie das Kraftwerk in Rostock. Als Hausaufgabe für die Leser bleibt dann noch die Aufgabe, zu ermitteln, wieviel tausend Tonnen Lithium man für diesen Speicher bräuchte und wieviel mal man diese 573 Milliarden Euro ausgeben müsste, um die jahreszeitlichen Schwankungen in der Zappelstromversorgung ganz Deutschlands auszugleichen.
Und wer bezahlt?
Wer das bezahlen soll, wollen Sie wissen? Das ahnen Sie zwar sicher schon, schließlich zahlen Sie mit 30 Cent pro kWh schon den höchsten Strompreis weltweit – die deutschen Vollstecker haben’s doch offensichtlich dicke, da geht sicher noch was! Dazu findet sich am Ende des SPON-Artikels ein interessanter Hinweis: „Zunächst muss der Plan für die Gigabatterien allerdings von der Bundesnetzagentur und vom Bundestag bestätigt werden.“ Dass die Bundesnetzagentur einen Blick auf die Pläne werfen möchte, ist ja noch verständlich, aber warum sollte sich der Deutsche Bundestag damit beschäftigen, auf welche technische Art und Weise einer der deutschen Netzbetreiber die Versorgung seiner Stromkunden organisiert oder die Lieferungen der Stromerzeuger koordiniert? Für die meisten Abgeordneten kommt der Strom aus der Steckdose, wie er dort rein kommt, interessiert ihn nicht sonderlich. Kann oder darf TransnetBW das nicht allein entscheiden? Den Bundestag ins Spiel zu bringen bedeutet nichts anderes als den Plan, die gigantischen Kosten für die Lithium-Akkus auf den Steuerzahler abzuwälzen. Irgend ein Netzspeicherwachstumsbeschleunigungsgesetz wird sich da schon zimmern lassen.
Die Aufrechterhaltung der Stabilität der Stromnetze macht den Betreibern mehr und mehr zu schaffen. Aber es macht sich nicht so gut, wenn TransnetBW zu den Politikern in Land und Bund geht, ihnen Vorwürfe wegen Energiewende, Atom- und Kohleausstieg macht und die Politik auffordert, ihre Fehler zu korrigieren. Wer in dieser Sache Geld von Politikern will, muss die Bürger beschuldigen. Politiker wiederum sind dankbar für die Ablenkung vom eigenen Versagen und öffnen die Taschen der Bürger so gern noch ein wenig weiter. Deshalb baut TransnetBW der Politik eine Brücke. Der Bürger sei ja nicht nur Stromkunde und Steuerzahler in Personalunion, wegen seine Renitenz bezüglich des Netzausbaus sei er auch noch schuld an der Kostenexplosion! Das hat er nun davon! Ich kann schon im Geiste die Fensterreden der Politiker hören, die Bürgerinitiativen und Stromtrassenverhinderer („Energiehasser“ wäre eine griffige Verbalinjurie) in Niedersachsen oder Hessen dafür anprangern, dass man nun teure Speicher bauen und finanzieren müsse, weil diese ewig Gestrigen die Netze nicht vor der Haustür oder im Kartoffelacker haben wollen, nur weil das entweder den Himmel verunziere oder den Boden stark aufheizen würde. Aber Netz und Speicher sind in post-physikalischen grünen Zeiten ja ohnehin identisch und vor allem immer teurer als gedacht. Letzteres zumindest stimmt. Haben wir ja gerade alles ausgerechnet.
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