Selbstversorgung für Anfänger – Wie man sein Gemüse selber zieht

Die Coronakrise ist noch lange nicht vorbei und selbst, wenn die direkten Eindämmungsmaßnahmen vorbei sind, dann werden die Nachwirkungen noch mehr oder weniger spürbar bishin zu schmerzhaft sein. Besonders die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln ist alles andere, als garantiert. Der globale Getreidemarkt ist in Bedrängnis, die größten Reis- und Weizenerzeuger stoppen bereits ihre Exporte. Bei Gemüse stiegen die Preise um 27% im Vergleich zum April letzten Jahres – und das wird nicht besser werden, denn der gerade zu Ende gehende, trockene April hat vielen Landwirten die Ernte schon stark geschmälert. Gemüse wird dieses Jahr wesentlich teurer werden. Wir werden uns möglicherweise daran gewöhnen müssen, dass frisches Gemüse und Obst deutlich mehr kosten wird und nicht immer alles zu bekommen ist.

Mit anderen Worten: Wer giftfreies, richtig frisches Biogemüse haben will, tut gut daran, sich wenigstens teilweise damit selbst zu versorgen. Da der letzte Artikel über das Hochbeet viel Interesse geweckt hat, wie ich an den Emails, Nachfragen und Zugriffszahlen gesehen habe, versorge ich Euch jetzt auch gern mit Tipps, was man im Hochbeet pflanzen kann und wie man das macht.

Gekaufte Pflänzchen einsetzen – oder selber ziehen?

Zuerst einmal: Es gibt zwei Wege, ein vor Leben platzendes Hochbeet zu bekommen. Die einfachste und schnellste (aber auch teuerste) Art ist, sich fertige Pflänzchen im Gartenmarkt zu kaufen. Für absolute Anfänger ist das gar keine schlechte Idee, da kann man schon einmal den Umgang mit den Pflänzchen lernen. Wenn die armen Dinger diesen Lernprozess nicht überleben, ist das schade und kostet Geld, aber „es lernt uns was“ und man ist nicht so deprimiert und entmutigt, dass schon aus den gehätschelten Sämlingen nichts geworden ist. Die Gelinggarantie, dass auch bei blutigen Anfängern wenigstens einigermaßen was an Gemüse zum Schluss dabei herauskommt, ist bei Fertigpflänzchen aus dem Gartenmarkt größer.

Tipp für Anfänger: Ich empfehle Anfängern, ein paar alte Kartoffeln gleich draußen im Beet einzugraben, die werden so gut wie immer was. Es macht Spaß, wenn die Pflanze keimt und wuchert und wenn dann das Kartoffelkraut gelb wird und abstirbt, die Kartoffeln aus dem angenehm gelockerten Boden zu ernten. Kartoffeln sind nie falsch. Oder Zucchini z. B. lassen sich leicht aus den dicken Samenkernen ziehen. Nur bitte gaaanz vorsichtig umpflanzen, dass das dünne Stielchenstück direkt über der Erde nicht abbricht. Das ist die Achillesferse der Zucchini (und auch bei Kürbis). Aber wenn eine Zucchini angewachsen ist, bremst die nur noch ein Bulldozer. Das ist ein wunderbares, frustrationsfreies Gemüse und produziert eine Zucchino nach der anderen. Wenn man nicht immer mal nachschaut, versteckt sich so ein Zucchino auch gern mal unter den großen Blättern – und irgendwann findet man ein unterschenkelgroßes Monster im Beet unter den Blättern. Das ist dann kaum noch lecker, aber die Kerne daraus kann man im nächsten Jahr wieder als Samen für eine neue Generation nehmen. Auch Hokkaido-Kürbisse sind ein sehr anfängertaugliches Gemüse und ähnlich zu behandeln. Sie keimen leicht und wenn sie guten Boden bekommen, produzieren sie schnell die auffälligen großen gelben Blüten, die auch Zucchinis haben. So ein Hokkaido ist nicht ganz so ein Produktions-Maniac, wie eine Zucchini, aber bringt auch ein paar Kürbisse pro Pflanze.

Die zweite Möglichkeit ist, die Pflänzchen aus dem Samen selbst zu ziehen. So einfach, wie sich das anhört, ist es aber nicht ganz. Es gibt ein paar wichtige Punkte zu beachten, um die Mühe und den Aufwand auch nicht umsonst geleistet zu haben. Dabei kommt es aber nicht darauf an, so früh wie möglich zu beginnen. Auf den Samenpackungen sind meistens die Zeitpunkte für eine Anzucht im Haus oder Gewächshaus – aber auch den geeigneten Zeitpunkt für die Aussaat im Freiland angegeben. Man sollte nicht früher im Haus anfangen, als empfohlen wird. Und die Fensterbank ist nicht immer optimal.

Die Anzucht auf der Fensterbank ist nämlich nicht gleichbedeutend mit einem Gewächshaus oder Wintergarten. Leider ist das Tageslicht durch ein Fenster auf die Fensterbank in den ersten zwei Monaten des Jahres kaum ausreichend. Wer hier zu früh beginnt, zieht meist ganz helle, weiche und lange Sämlinge heran, die dann später kaum dem Klima draußen im Garten gewachsen sind. Sie werden krankheitsanfällig.

Natürlich kann man mit Kunstlicht nachhelfen. Das Licht normaler Glühbirnen nützt allerdings nicht viel, Energiesparlampen sind nach Erfahrungen von Hobbygärtnern sogar schädlich. Es gibt spezielle Wachstumslampen, die das Sonnenlichtspektrum fast genau herstellen können, darunter auch LED-Leuchten und Neonröhren. Wer möchte, kann das natürlich machen. Man muss dabei allerdings die natürliche Sonnenscheinlänge beachten. Pflanzen registrieren die Dauer der täglichen Beleuchtung sehr genau und haben ihren Rhythmus. Den gilt es einzuhalten, also nur tagsüber mit Kunstlicht auszuhelfen.

Mit hinter den Pflänzchen aufgestellten Spiegeln oder Brettern oder Pappdeckeln, die mit Alufolie umhüllt sind, kann man die Lichtausbeute auf einer Fensterbank aber fast verdoppeln und die Keimlinge recken sich nicht so verzweifelt schräg nach vorne zur Fensterscheibe. Damit erzielt man schon sehr gute Ergebnisse. Es sieht allerdings in der Wohnung ziemlich gewöhnungsbedürftig aus und könnte zu Diskussionen in der Familie führen.

Weiterhin ist es wichtig, auf die Keimtemperatur des Saatgutes zu achten. Manche Samenkörner sind da ganz schön anspruchsvoll. Gurken und Paprika benötigen zum Beispiel ungefähr 25 °C. Das erreicht man im März kaum auf der Fensterbank.

Wer einen Heizkörper vor dem Fenster hat, kann die Anzuchtbehälter so darüber platzieren, dass die richtige Temperatur erreicht wird. Das hat aber zur Folge, dass die Anzuchterde sehr schnell austrocknet – und Trockenheit kann kein Keimling vertragen. Also immer darauf achten, dass die Erde nicht austrocknet. Eine Wassesprühflasche danebengestellt und immer, wenn man vorbeigeht, kurz nachschaun und schnell mal Pfft-Pfft drüber gesprayt – und schon klappt das.

Bei den meisten Gemüsearten brauchen die Samen eine Keimtemperatur von über 14-16 °C.

Ein Tomatensetzling

Als Anzuchtbehälter kann man die verschiedensten Möglichkeiten benutzen. Manche stellen Joghurtbecher oder Blumentöpfchen auf, in denen sie die Samen zum keimen bringen. Man muss allerdings darauf achten, dass überflüssiges Wasser unten aus den Töpfen abfließen kann. Staunässe ist gar nicht gut für die Pflänzchen. Bei Joghurtbechern müssen also Löcher in den Boden gebohrt werden. Praktischerweise stellt man die Töpfchen in eine flache Wanne, so dass das Stauwasser abgegossen werden kann. Bewährt hat sich, nur wenig auf die Erde der Anzuchttöpfchen zu gießen und dann eine dünne Schicht in die Wanne. Nach einer Zeit sieht man nach, ob alles aufgesogen wurde. Fühlt sich die Erdoberfläche in den Töpfchen nach einer Stunde etwa immer noch zu trocken an, gibt man noch etwas Wasser unten nach.

Diese Methode verhindert am zuverlässigsten Austrocknen oder Überwässerung. So lange die Erdoberfläche weich und leicht feucht ist, aber kein Wasser auf dem Wannenboden steht, ist es ideal.

Praktisch sind hier auch die langgestreckten Balkonkästen, idealerweise mit eingesetztem Bodensieb, das überflüssiges Wasser durchlaufen lässt und Staunässe vermeidet. Der Wasserstandsanzeiger in einer Ecke signalisiert, wann das Wasser unterhalb des Siebes aufgebraucht ist, und die „Wasserbrücken“ nach oben zur Erde keine Feuchtigkeit mehr transportieren können. Dann muss nachgegossen werden.

Mini-Gewächshäuser sind natürlich ideal. Sie haben noch eine durchsichtige Plastik- oder Glashaube, die auf die Bodenwanne aufgesetzt wird. Dadurch wird die Luftfeuchtigkeit innerhalb des Anzuchthäuschens hoch gehalten, ein ideales Klima für die Sämlinge. Auch diese Minigewächshäuser müssen sehr hell stehen. Sobald die Jungpflanzen Wurzeln und mehrere Blätter getrieben haben, sollte man die Abdeckhauben erst Mittags stundenweise, dann ganz entfernen, um einen ersten Schritt zur Abhärtung der kleinen Pflanzen zu tun.

Die Abhärtung der Jungpflänzchen ist ebenso wichtig, wie die Anzucht selbst. Wer die mühsam und liebevoll herangepäppelten Pflanzenkinder von heute auf morgen in den Garten eingräbt, darf sich nicht wundern, wenn sie das nicht überleben.

An warmen Tagen stellt man die Jungpflanzen für die wenigen, warmen Stunden ins Freie an einen hellen Platz, aber nicht in die pralle Sonne, sonst bekommen sie einen Sonnenbrand. Doch, das gibt es!

Ein Tipp: Damit die Erde in den Töpfchen nicht auf dem noch kalten Boden zu sehr abkühlt, sollte man die Wanne auf eine isolierende Unterlage stellen. Dazu eignen sich Styroporplatten oder ein Holzbrett.

Nachts werden die Gemüsekindergärten wieder hereingeholt. Erst, wenn die letzten Nachtfröste sicher vorbei sind (Mitte Mai, nach der kalten Sophie), kann man die kräftig gewordenen Pflänzchen ganz ins wilde Gartenleben entlassen.

Wer so ein Minigewächshaus hat, kann die Abhärtung der Jungpflanzen noch feiner steuern. Die ersten Ausflüge über Tag ins Freie werden noch mit Abdeckhaube unternommen. Dann ohne. Mit der steigenden Außentemperatur und wenn die Gefahr der Nachtfröste vorbei ist, lässt man dann die Pflänzchen mit geschlossener Haube auch nachts draußen. Dann ohne Haube.

Auf keinen Fall sollte man die Zöglinge draußen einpflanzen, wenn die Temperaturen nachts noch unter Null Grad fallen. Dann war alle Mühe umsonst, und die Pflänzchen liegen tot und schlapp auf dem Boden. Da ist dann auch nichts mehr zu retten.

Eines noch: Natürlich kann man sich Gummihandschuhe oder solche Gartenhandschuhe anziehen. Dann bekommt man keine schmutzigen Hände und muss auch nachher keinen Dreck unter den Fingernägeln herauspulen oder einen kaputten Fingernagel wieder schönfeilen. Das ist vollkommen in Ordnung, wenn Ihr das macht. Aber … es macht glücklich, die Erde zu fühlen und zu riechen und mit ihr in engem Kontakt zu sein. Man kann der Erde nachher schon anfühlen, ob sie gut für die Pflanzen ist, man kann das zarte Wurzelgeflecht der kleinen Kinderpflanzen ganz anders spüren und behandeln. Und auch später: Zu erfassen, wie sich die Pflanze anfühlt, sagte einem viel mehr über deren Gesundheit und Wohlbefinden. Ihr werdet mit der Zeit ein sicheres Gesprür dafür entwickeln, was Eure Pflanzen brauchen und wie es ihnen geht, wenn Ihr mit den Händen drangeht, die Erde und Pflanzen fühlt, riecht und genau anschaut.

Im nächsten Beitrag erfahrt Ihr, was man über Saatgut wissen sollte und die wichtigsten Tipps und welche Gemüsepflanzen man besser gleich ins Freiland sät.


Quelle und Erstveröffentlichung: Schildverlag.de / Niki Vogt



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