“Leitkultur”: Hat die deutsche Kultur etwas Typisches an sich?

Geschichte eines Begriffs

In seinem 1998 veröffentlichten Buch Europa ohne Identität schlug Tibi als Erster eine “Leitkultur” vor. Er definierte sie in Bezug auf das, was man gemeinhin als westliche Werte bezeichnet, und sprach von einer europäischen statt einer deutschen Leitkultur. “Die für eine Leitkultur notwendigen Werte sind die der Moderne: Demokratie, Säkularismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft.”
Diese Grundwerte ähneln denen der “freiheitlich-demokratischen Grundordnung” (FDGO), die als Grundwert des westlichen Nachkriegsdeutschlands und des vereinigten deutschen Staates nach der deutschen Wiedervereinigung von 1990 angesehen wird.


Hochwertig gefertigte Schutzweste mit Stich- & Schlagschutz – jetzt sichern!


 

Tibi befürwortet einen kulturellen Pluralismus, der auf einem Wertekonsens beruht, anstelle von Mono Kulturalismus. Er hat sich jedoch auch gegen blinden Multikulturalismus und die Entwicklung von Parallelgesellschaften ausgesprochen, in denen Einwandererminderheiten isoliert von der sie umgebenden westlichen Gesellschaft leben und arbeiten. Tibi befürwortet eine strukturierte Einwanderungspolitik und spricht sich gegen die illegale Einwanderung nach Deutschland aus.
Es scheint, dass sich in Europa und insbesondere in Deutschland ein Kulturrelativismus ausbreitet, dessen deutlichster Ausdruck der Multikulturalismus der deutschen Linksparteien ist. Für das linke Denken in Deutschland hat die Leitkultur keine spezifisch deutsche, sondern eine europäische, internationale oder sogar universalistische Dimension.

Im Jahr 2001 verwendete der Journalist Theo Sommer, Redakteur der deutschen Zeitung “Die Zeit”, den Ausdruck “deutsche Leitkultur” im Rahmen einer Debatte über die Assimilation von Einwanderern in Deutschland und die nationalen Grundwerte. Er hatte erklärt: “Integration setzt notwendigerweise eine weitgehende Assimilation an die deutsche Leitkultur und ihre Grundwerte voraus.”

Im Mai 2017 hatte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz (SPD), die Verwendung des Begriffs “Leitkultur” kritisiert, da ihrer Meinung nach angesichts der in Deutschland gelebten kulturellen Vielfalt “eine spezifisch deutsche Kultur […] über die Sprache hinaus streng genommen nicht erkennbar” sei. Anstelle einer Leitkultur schlug sie einen “Gesellschaftsvertrag mit den Werten des Grundgesetzes als Grundlage sowie gleichen Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als Ziel” vor.

Die mehr oder weniger explizite Trennung von Kirche und Staat nimmt in diesen Argumentationen einen wichtigen Platz ein. Dies sind Aspekte, die sich von der politischen Debatte über Leitkultur unterscheiden, vor allem auf der Rechten, wo der Bezug auf christliche Werte unumgänglich ist, ebenso wie die nationale Dimension, auch auf Seiten der CSU und der AfD.

Die Position der AfD

Im Mai 2016 sprach sich die Alternative für Deutschland in ihrem Parteiprogramm für eine deutsche Leitkultur aus, die als ein Konzept beschrieben wurde, das der “Ideologie des Multikulturalismus” zuwiderläuft. Dem Programm zufolge verdankt die deutsche Leitkultur ihre Grundlagen dem Christentum, den geistigen Strömungen der Renaissance und der Aufklärung, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen und die ein wissenschaftliches und humanistisches Denken hervorgebracht haben, sowie dem römischen Recht. Diese Traditionen seien die Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des Rechtsstaats in Deutschland und würden auch im Alltag die Interaktionen zwischen den Geschlechtern und Generationen bedingen.

Hier ein Auszug aus ihrem Grundsatzprogramm (Grundsatzprogramm, erarbeitet auf dem Bundesparteitag in Stuttgart am 30.04./01.05.2016) zu Fragen der deutschen Kultur:
***
Deutschland ist eine der großen europäischen Kulturnationen. Deutsche Schriftsteller und Philosophen, Musiker, Künstler, Baumeister und Architekten sowie in jüngster Zeit auch Filmemacher und verschiedene Kreative/Bildende Künstler haben einen bedeutenden Beitrag zur weltweiten Ausstrahlung ihrer Kunst geleistet. Die Kultur muss auch Träger eines neuen politischen Konzepts sein. Unsere Identität ist in erster Linie kultureller Natur. Sie darf nicht zum Spielball verschiedener Einflüsse werden. Vielmehr muss das Bewusstsein dafür gestärkt werden, um den kulturellen Zusammenhalt zu fördern und zu bewahren. Für uns ist die Beziehung zwischen Bildung, Kultur und Identität von größter Bedeutung für eine gute Entwicklung der Gesellschaft.

Die AfD betrachtet die Bewahrung dieses umfangreichen kulturellen Erbes als eines ihrer wichtigsten politischen Ziele. Nicht nur als Erbe für kommende Generationen, sondern auch, um es in Zeiten der Globalisierung und des digitalen Zeitalters weiterzuentwickeln und seine unersetzlichen Qualitäten zu bewahren. Deutschland wird in der Welt auch für die Einzigartigkeit seiner Theater- und Symphonieszene bewundert. Die AfD wird dafür sorgen, dass die Kultur zur nationalen Sache erklärt wird, sowohl auf Bundesebene als auch in den deutschen Bundesländern.

Die Alternative für Deutschland tritt für eine deutsche Leitkultur ein, die im Wesentlichen auf drei Säulen beruht: einer christlich-religiösen Tradition, einer wissenschaftlichen und humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln später durch die Einflüsse der Renaissance und der Aufklärung genährt wurden, und schließlich dem römischen Recht, dem Fundament unseres Rechtsstaates. Diese Traditionen bilden nicht nur die Grundlage unserer liberalen Demokratie, sondern bestimmen auch die Form der täglichen Beziehungen zwischen den Menschen, die Beziehungen zwischen Männern und Frauen und die Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern. Die Ideologie des Multikulturalismus setzt unter Missachtung der Geschichte kulturelle Strömungen von außen mit der nationalen Kultur gleich und relativiert so deren Werte auf gravierende Weise. 

Die AfD betrachtet diesen Ansatz als eine ernsthafte Bedrohung für den sozialen Frieden und den Erhalt der Nation als kulturelle Einheit. Konfrontiert mit dieser Bedrohung müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Referenzmodell formell verteidigen.

Unsere Kultur ist untrennbar mit der deutschen Sprache verbunden, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hat. Dies spiegelt sich auf vielfältige Weise wider, in der Ideengeschichte, der eigenen Vorstellung von diesem Raum in der Mitte Europas und den Werten des deutschen Volkes, die sich zwar weiterentwickeln, aber dennoch einen spezifischen Hintergrund aufweisen.

Die sprachliche Verbindung muss im allgemeinen Bewusstsein aufrechterhalten und geschützt werden. Als zentrales Element der deutschen Identität muss die deutsche Sprache nach dem Vorbild anderer Nationen als Nationalsprache im Grundgesetz (deutsche Verfassung) verankert werden.

Darüber hinaus werden wir einen Aktionsplan mit dem Ziel fördern, das Hochdeutsche sowie die historischen regionalen Dialekte als immaterielles Erbe der Menschheit langfristig zu erhalten und zu stärken. Zu diesem Zweck müssen sowohl das Goethe-Institut als auch andere kulturelle Instrumente wirksam gestärkt werden, um das Erlernen der deutschen Sprache in der Welt zu fördern, ebenso wie bilaterale Abkommen über Studienprogramme. 

Die AfD wird dafür sorgen, dass die deutsche Sprache innerhalb der Europäischen Union auch in der täglichen Praxis mit Englisch und Französisch gleichgestellt wird.

Die AfD ist außerdem besorgt über die Entwicklung der deutschen Sprache im Inland und im Sinne einer falsch verstandenen “Internationalisierung”, die durch das Englische ersetzt oder auch von der Gender-Theorie beeinflusst wird. Wir weisen Sprachanweisungen im Sinne der “politischen Korrektheit” strikt zurück.

Die AfD will den Einfluss der politischen Parteien auf das kulturelle Leben zurückdrängen, Kulturstiftungen und kulturelle Bürgerinitiativen stärken und eine Kulturpolitik fördern, die sich an objektiven Qualitätskriterien und vernünftigen wirtschaftlichen Interessen orientiert und nicht aus politischem Opportunismus heraus definiert wird. 

Die deutsche Erinnerungskultur, die derzeit auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt ist, muss zugunsten eines Geschichtsbildes erweitert werden, das auch die beglückenden und identitätsstiftenden Aspekte der deutschen Geschichte umfasst. Die Kulturpolitik im engeren Sinne muss nach Ansicht der AfD in der Zuständigkeit der Länder bleiben. Die AfD legt Wert auf den Erhalt und die Förderung der kulturellen Vielfalt sowie auf die Stärkung der Wirtschaftlichkeit aller Kultureinrichtungen.

***
Abgesehen von den Marotten der linken Ideologie, die davon ausgeht, dass es keine spezifisch deutsche Kultur gibt, unterscheidet sich die nationale Idee kaum: Wir sprechen hier von einer eher kulturellen als politischen Idee der deutschen Nation, die auf der Identifikation mit einer Sprache, einer Geschichte und einer kulturellen Vergangenheit beruht, die allen deutschsprachigen Ländern gemeinsam ist.
Dies hindert ihn jedoch nicht daran, die politische Einheit Deutschlands anzustreben, d.h. die politischen Grenzen mit denen des germanischen Kulturraums in Einklang zu bringen.


“Wir sind ein Land mit einer tief verwurzelten Identität. Unsere Leitkultur ist nicht etwas Beliebiges, das man austauschen kann. Sie ist im Gegenteil das, was unser Land stark gemacht hat. Unsere Identität mit unserer einzigartigen Leitkultur gibt uns Stärke und Stabilität, auch für die Zukunft. Jeder, der zu uns kommen will, muss sich an unsere Regeln halten.”

– Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU (Christlich-Soziale Union).

Dies ist eine Übersetzung von Leitkultur en Allemagne : y a t-il une culture typiquement allemande ?



Teilen Sie diesen Beitrag

Wende 2024 jetzt bei Telegram beitreten und mitreden:

4 Kommentare

  1. Den Ausführungen ist zuzustinmmen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie man – realistischerweise – die dort skizzierte Leitkultur aufgrund verbrecherischer Politik millionenfach ins Land strömenden Bückbetern und sonstigen Christen-und Weißenhassern nahebringen will ?

    Was gibt es noch zu “assimilieren”, wo sich doch in den Kitas und Eingangsschulklassen kaum noch indigene Deutsche befinden ?

    Ich habe den Eindruck, dass es vielen noch immer nich klar ist, wo wir längst angekommen sind: Ziemlich am ENDE !

    Wie soll es bei dieser Sach- und Ausgangslage sowie dem geistigen Zustand eines großen Teils der noch verbliebenen indigenen Gesellschaft zu der dafür nötigen Schubumkehr kommen, wo selbst die “kath. Kirche” sich längst zu einer deutsch- und christenfeindlichen, linksgrün-globalistischen Sekte verwandelt hat ?

    Diese Frage müsste dann zuallererst beantwortet werden.

  2. “Wo liegt auf Erden jene Wüste, die die Deutschen nicht in blühendes Land zu verwandeln verstünden? ” Solschenizyn Archipel Gulag Bd 3 S.377

  3. Es gibt vieles, was man bei genauer Betrachtung als typisch deutsch bezeichnen könnte.
    Es ist ein Sammelsurium teils schöner, teils auch weniger schöner Eigenschaften, Fähigkeiten und Gewohnheiten.

    Eine der hervorstechendsten Eigenschaften des Deutschseins ist das Streben nach brillanter Perfektion, was sich z.B. in großartigen technischen Errungenschaften dokumentierte.

    Leider sind diese Fähigkeiten zumindest weitgehend vom deutschfeindlichen Polit-Kamarilla-System WEGGEZÜCHTET worden. Der Niedergang in schulischen und universitären Ausbildungsleistungen ist ebenso offenkundig wie erschreckend.
    Wenn man sich anschaut, wer heute dort alles herumlungert, braucht man sich allerdings auch nicht zu wundern.

    Den Deutschen scheint all dies in der großen Mehrheit indessen schnurzpiepegal zu sein, sonst würden sie nicht mehrheitlich immer wieder die Verbrecher-und Verursacher-Parteien wählen.

    Ursache und Wirkung: Der nicht außer Kraft zu setzende zentrale Wirkmechanismus des Lebens. Scheinen aber dennoch sehr viele nicht zu kapieren.

Kommentare sind geschlossen.