Chris Patten hat bereits einige honorigen Posten gesammelt: letzter britischer Gouverneur von Hongkong und EU-Kommissar für auswärtige Angelegenheiten sind die hervorstechendsten. Nun kommt eine weitere Auszeichnung hinzu. Wahlweise Whistleblower oder, ein zwischen Highlands und englischer Kanalküste beliebter Titel, HighDecoratedLoony, das ist, holprig übersetzt, ein Regierungs-Wahnsinniger, dem man die Krankheit allzu lang nicht ansah oder schlicht durchgehen liess.
Hintergrund ist ein Meinungsartikel, mit dem Patten im Tagesspiegel, dem „Schwarzen Kanal“ des Globalismus, den Begriff Demokratie höchst entlarvend neu auslegt. (www.tagesspiegel.de)
Unter der an sich schon gewagten Überschrift Großbritannien unter Boris Johnson: Das Vereinigte Königreich droht ein gescheiterter Staat zu werden kann der staunende Leser quasi in Echtzeit verfolgen, wie einem hochdekorierten Autor der Verstand perdu geht, ohne dass dieser und seine Betreuer, hier also die Chefredaktion des Tagesspiegel“, das Drama auch nur im Geringsten zu bemerken scheinen.
Patten backt dabei keineswegs kleine Brötchen: Er wagt sich an nichts geringeres als an ein Plädoyer für einen neuen Faschismus, der für ihn eins ist mit, man höre und staune, der Demokratie.
Gleich zu Anfang des Artikels wartet der Elder Statesman mit zwei überraschenden Erkenntnissen auf, beide wohlgemerkt mit Blick auf Boris Johnsens Brexit-Umsetzungsregierung vorgetragen:
1. Es ist IGNORANT (das Wort kommt von ignorieren) dem Volkswillen ZUZUHÖREN.
2. Das Befolgen eines Volksauftrags höhlt die Demokratie, also die Volksherrschaft aus und macht im aktuellen Fall Britannien zum (den Kampfbegriff benutzt er wirklich!) „Failed State“.
Ein geistiger Amoklauf, sicher. Aber der vermeintliche Irrgang bietet einen unschätzbaren Vorteil: Endlich erfährt der Wähler einmal, wie ein Wasserträger der Plutokratie den Parlamentarismus wirklich versteht.
Lauschen wir also weiter. Patton wörtlich, über seine Demokratie, die er „britisch“ nennt:
„Die Abgeordneten sind nicht verpflichtet, zu tun, was ein angeblicher Volkswille ihnen aufträgt“ – ebendieses wäre, der Satz geht weiter, bitte festhalten, „ein System, wie es Despoten und Demagogen schätzen. Stattdessen sind sie Teil eines Systems, das sich stark auf den konservativen politischen Philosophen Edmund Burke stützt, und nicht den französischen Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau. Wir haben stets Vorsicht, Kompromiss und eine evolutionäre Entwicklung der Destabilisierung und Appellen an flüchtige öffentliche Leidenschaften vorgezogen.“
Bei dieser Abscheu gegenüber dem Mehrheitswillen an der Basis darf es nicht erstaunen, daß Elitenlieferant Patton gegen den ganz anders gestrickten Populisten Johnson dicke Backen macht. Nachdem der Brexitentscheid-von-Unten Jahrelang erfolgreich Oben verschleppt wurde erdreistet sich , so Patten, die neue Austrittsregierung doch tatsächlich
„Pläne zu schmieden, eine – noch nicht angekündigte – Wahl auf der Basis eines Wahlkampfes unter dem Motto ´Das Volk gegen die Politiker´ zu gewinnen. Wer ein Ausscheiden aus der EU ohne Austrittsvertrag ablehnt, wird als Gegner der Volkssouveränität gebrandmarkt. So viel zur parlamentarischen Demokratie.“ Das ist ironisch gemeint. Muss man hinzufügen.
Pattons Conclusio, und damit schließt er seinen Artikel ab: „Die unverantwortliche Talfahrt in Richtung Selbsttäuschung und Lügen setzt sich ungebremst fort.“ Er meint die Regierung Johnson damit, nicht seinesgleichen. Muss man ebenfalls anfügen.
Wer nun sagt „Die spinnen, die Briten“ oder meint, sowas gäbe es bei uns nicht, sollte sich vorsehen. Der vorgestellte Irrsinn ist unter Parlamentariern durchaus verbreitet. Mag sein, daß Patton angesichts des zum Greifen nahen britischen EU-Ausstiegs schlicht die Nerven durchgegangen sind, daß er deshalb allzu deutlich sprach. Aber das so befremdlich Ausgespieene wird auch in Parlamentsfluren in Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und sonstwo als Selbstverständlichkeit gehandelt, als Common Sense: Die Demokratie ist nichts für den kurzsichtigen kleinen Mann, nichts für die beschränkten Wahlvölker, im Gegenteil, sie dient dem grenzenbefreiten Ganzen, dem Großen und den Großen, weiterblickenden Kapitänen der Macht, des Einflusses, des Geldes. Leuten wie George Soros, der einer eigenen Studie zufolge fast ein Drittel des EU-Parlaments in seiner Gefolgschaft weiss legacy.gscdn.nl/archives/soroskooptbrussel.pdf.
Oder dem billigen Arbeitskräften gegenüber stets aufgeschlossenen Siemens-Chef Joe Kaeser, wie der hochbezahlte Brüssel-Lobbyist Patten ein vernehmbarer und medial gefeierter Schein-Moralist des globalistischen Umbruchs. Übrigens, sein Elektronikunternehmen unterzieht derzeit das Folterlager Guantanamo einer technischen Grundrenovierung. Moral, auch das sei hier angehängt, ist in Plutokratien – wie alles andere – kaufbar.