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Die Weihnachts-Wurzelkrippe im Allgäu

Endlich Heiligabend! Doch „Heilig Morgen“ hätte es heißen müssen, denn etwas Heiliges lag in der Luft. Seltenes Bohnenkaffeearoma zog durch das Haus und die letzte Ladung Weihnachtsplätzchen verströmte ihren lieblichen Duft. Es ging irgendwie ruhiger zu im Haus, die Erwachsenen flüsterten nur und gaben sich Mühe, die Geschenke heimlich zu verpacken, damit die Kinder es nicht mitbekommen sollten. Wir taten einfach so, als hätten wir nicht gesehen, dass die Päckchen in der Waschküche hinter der aufgespannten Bettwäsche gestapelt waren.

Der Krippenbau mit Phantasie

Die alte, schwere Holzkiste stand auf dem Speicherboden. In ihr lagen vielleicht dreißig Wurzelteile, aus denen jährlich die Krippe im Wohnzimmer neu zusammengesetzt wurde. Wer wann diese Wurzeln im Wald – nach dem Fällen eines Baumes – auch noch ausgegraben und zusammengesucht hatte, das wusste niemand mehr. Großvater meinte, dass es sein Großvater damals auch schon nicht mehr wusste. Die ungefähr Holzscheit-großen Teile wurden der Kiste entnommen, mit einem Handfeger abgestaubt und auf dem Wohnzimmerboden ausgelegt. So wie ein Puzzle. Es existierte kein Bauplan, niemand konnte genau sagen, welches Wurzelteil zuerst auf den Krippenboden gelegt werden sollte. In einer Ecke des Wohnzimmers, genau über der hölzernen Eckbank, dort wo auch das große Kruzifix hing, wurde das große, dreieckige Brett mit Schrauben angebracht. Und so konnte jedes Jahr darauf eine etwas andere „Felsengrotte“ gebaut werden, je nachdem wie die Wurzelstücke kreativ ineinander verhakt wurden. Wir spielten auch mit den Keramikkrippenfiguren, bei denen schon manches Ohr oder Bein fehlte. Gut das es UHU gab und Legoteile angeklebt werden konnten.

Moos für die Krippe

Weder Ochs, Esel, die Heilige Familie, noch die vielen Schäflein und die Hunde, durften einfach so auf das große Fichtenbrett gestellt werden. Rund einen halben Quadratmeter frisches Moos hatten wir an den Tagen zuvor schon am Waldrand unter den Tannen geholt. Das war schwierig, wenn schon Schnee darauf lag. Der wurde dann vorsichtig abgekratzt, um an das weiche Moos über den Fichtenwurzeln zu kommen.

Wie eine Wiese sah das grüne Moos in der Krippe aus, auf die dann die weißen und bemalten Keramikfigürchen gestellt wurden. Die Beine der Schafe wurden einfach in das Moos gesteckt. Weil der Schäfer mit seinem Stab immer wieder umfiel, wurde er mit einer kleinen Schraube stabilisiert. Die Krippe mit dem Jesukind, Maria, Josef, Ochs und Esel bekamen den Ehrenplatz in der „Höhle“, die sich aus der geschickten Schichtung der Wurzeln ergab. Hinter die Felsen wurden die Tannenzweige gesteckt, die beim Christbaumaufstellen übrig geblieben waren.

Lebendige Krippe



Ja, wir durften mit den Krippenfiguren spielen bis Heilig Drei König, dann wurde alles wieder abgebaut.  Doch bis dahin war noch viel Zeit. Wir setzten die Schafe und die Hunde ständig um oder  platzierten den Schäfer auf einen Felsen und lehnten den Ochsen über den Gartenzaun. Ein kleiner, weißer Lattenzaun verhinderte, dass die Figürchen auf den Tisch fielen. Niemand hatte etwas dagegen, wenn mit kindlicher Phantasie ein Traktor das Moos mähte. Auch holten wir in der Scheune Heu, schnitten es mit der Schere klein, denn Ochs und Esel sollten es auch gut haben. An den Stab des Schäfers klebten wir ein Lämpchen, die Batterie versteckten wir unter dem Moos.

Eine Lichterkette mit „echten“ kleinen Glühbirnchen legten wir über die „Felsen“ und die passende handtellergroße große Batterie lag versteckt auf dem Fenstersims. War das Wohnzimmer dunkel, wenn weder Deckenlampe noch Christbaumkerzen brannten und nur das Kaminfeuer knisterte, erstrahlte unsere Weihnachtskrippe in geheimnisvollem Licht. Dann strahlten auch wir alle, die Erwachsenen und die Kinder, die Großeltern und eine Tante, die aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben und bei uns einquartiert war.

Der heiligste Moment des Jahres

Wir alle, Kinder, Vater, Großeltern und die Tante saßen in der Küche, bis im Flur das Glöckchen klingelte. Vermutlich steckte Mutter dahinter, doch das übersahen wir großzügig. „Das Christkind war da“, riefen alle und rannten ins Wohnzimmer. Nur die Krippe war beleuchtet, wir wurden still und sangen – stehend, die Hände gefaltet –  in größter emotionaler Anspannung „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Unsere Wurzeln

Wie oft in unserem Leben schlugen wir nicht schon Wurzeln? Wir waren verwurzelt in unserer Familie, in der Gemeinde und in der Schule. Wir schlugen Wurzeln in unserer Ausbildung, wir fassten Fuß im Beruf, wechselten den Beruf vielleicht mehrfach und investierten stets auch emotional, um erneut Wurzeln zu schlagen.
Um uns sicherer zu fühlen. Und oft war das Wurzelschlagen vergebens. Die Lebensumstände änderten sich und wir begannen wieder bei Null. Doch wir hatten gelernt, wie man Wurzeln schlägt. Das kann und konnte uns niemand nehmen.

In unserer neuen Familie sind unsere Kinder die Wurzeln, die weiterwachsen, wenn wir einmal nicht mehr sind. Das, was wir in die Gesellschaft einbrachten, wirkt vielfach weiter, es schlug Wurzeln.  Bauen wir in Gedanken einfach mit den bisherigen Wurzelstücken unseres Lebens eine kleine geistige Weihnachtskrippe.
Unsere Zuversicht, dass aus Einzelteilen unserer Vergangenheit etwas Neues und Schönes entstehen wird, tröstet und stärkt uns.

Es wäre zu schade, wenn unsere historischen Einzelteile einsam und grollend in der (Foto)-Kiste blieben. Sie sind das Baumaterial, aus dem wir unsere bessere Zukunft gestalten.  Frohe Weihnachten! Denn Hoffnung ist der Samen des Frohseins.



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Kommentare

  1. Dieses Jahr verkündet das Christkind seine Weihnachtsbotschaft aus dem argentinischen Sommer: “Aus dem Glauben, dass Politiker überlegene Wesen sind, die über das Schicksal eines jeden von uns bestimmen sollten, ist ein institutionelles Gerüst entstanden, das bestimmt, dass niemand ohne seine (ihre) Erlaubnis arbeiten, Handel treiben, reisen oder sich ausbilden lassen kann. (…) Dies steht im klaren Widerspruch zum Geist unserer liberalen Verfassung, die die Willkür des Staates zum Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums des Einzelnen einschränken wollte.” (Javier Milei, Präsident von Argentinien)
    Lieber Wolfgang,
    ein frohes Weihnachtsfest wünschen Dir und den Deinen und der Redaktion
    auf dieser internautisch-digital-virtuellen Datenautobahn 
    Mi. und KP “Nero II.”

    1. “Aus dem Glauben, dass Politiker ÜBERLEGENE WESEN sind, die über das Schicksal eines jeden von uns bestimmen sollten…”

      Für diesen analytisch exzellenten Satz – der hoffentlich zügig viral geht und den Aufwachungsprozess der Schlafschäfchen beschleunigen hilft – sollte Milei den Nobelpreis – mindestens – erhalten.

      Wenn er das Subisdaritätsprinzip so konsequent umzusetzen schafft in Argentinien, wird er dort vermutlich eines Tages als Volksheld erkannt und gefeiert werden.

      Aber die Sozialisten dort rufen ja schon Zeter und Mordio. Hoffentlich geht das gut…

      Ich wünsche Ihnen Herr van de Rydt, allen Co-Autoren, Kommentatoren und Lesern ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest.

  2. Beischneider gefunden:

    “Ein Moslem stirbt und kommt in den Himmel.
    Er ist total aufgeregt, sein ganzes Leben hat er darauf gewartet Mohammed zu begegnen.
    Er kommt an die Himmelspforte, dort steht ein Mann mit einem Bart.
    Ergriffen und zittrig fragt er den Mann: “Mohammed?”
    “Nein, mein Sohn, ich bin Petrus, Mohammed ist weiter oben”
    und Petrus deutet auf eine Leiter, die in die Wolken führt.
    Der Moslem klettert die Leiter hoch, durch die Wolken;
    wieder steht ein Mann mit Bart vor ihm. “Mohammed?”
    fragt er wieder voller Hoffnung.
    “Nein, ich bin Moses, Mohammed ist weiter oben, du musst dort die Leiter hoch,
    durch die Wolken.” Der Moslem klettert. Wieder ein Mann mit Bart. “Mohammed?” stöhnt er.
    “Nein, ich bin Jesus, Mohammed ist weiter oben, du musst…..” “Ja, ja ich weiß!”
    Mit seinen letzten Kräften schleppt er sich nach oben, ein großer Mann mit großem Bart steht vor ihm.
    Schon sehr verunsichert fragt er keuchend: “Mohammed?”
    “Nein mein Sohn, ich bin Gott. Mann, du siehst ja total fertig aus, wollen wir nicht erst einmal einen Kaffee trinken?”
    “Oh Ja gerne!”
    Gott dreht sich um, klatscht zweimal in die Hände und ruft:
    “Mohammed – zwei Kaffee!”

    Frohe Weihnachten.

  3. Und die taz schießt den Vogel ab, mit seinem christenfeindlichen Artikel, der nur von Geschichtsverfälschug und Geschichtsklitterung so vor sich strotzt.

    Geschichte des Antisemitismus: 2000 Jahre Judenhass

    Antisemitismus hat seine Wurzeln im Christentum. Mit der Judenemanzipation und der Staatsgründung Israels wurde auch der islamische Judenhass mörderisch.
    https://taz.de/Geschichte-des-Antisemitismus/!5979123/

    Nun, ich will den Antisemitismus im Judentum nicht verteidigen oder gutheißen, ganz sicher nicht. Fakt ist aber:
    Den Antisemitismus bzw. die Judenfeindlichkeit, das gab es auch schon Jahrhunderte vor der Geburt Jesu CHristi udn vor dem Christentum.Anscheinend haben sich die taz-Journalisten nie ernsthaft oder tiefergehend mit diesem Thema beschäftigt.
    Und Zweitens. Die uralte Christenfeindlichkeit udn Christenverfolgung seit Anbeginn der Entstehung des Christentums wird auf taz nie thematisiert oder analysiert.

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