Propaganda mit Kobra-Effekt und Wandzeitung

von Roger Letsch

Die Pionier-Orga­ni­sa­tion der DDR hatte für ihre blau/rot behals­tuch­ten Knirpse wich­tige Ämter zu ver­ge­ben, wozu neben dem Grup­pen­rats­vor­sit­zen­den, einer Art Drei­kä­se­hoch-Staats­rats­vor­sit­zen­den auch ein Amt für Agi­ta­tion und Pro­pa­ganda gehörte: der Wand­zei­tungs­re­dak­teur. Das bedeu­tete, Kolum­nen aus „Junge Welt“ oder „Neues Deutsch­land“ aus­schnei­den, schmis­sige Über­schrif­ten dazu basteln…irgendwas mit Kampf, Arbei­ter­klasse und deren Feinden, den Impe­ria­lis­ten, ging immer. Dazu Nägel, zwi­schen denen Zwirns­fä­den Texte mit Bildern von Lenin, Pieck und Thäl­mann ver­ban­den und das ganze mög­lichst flä­chen­fül­lend auf dem mit rotem Fah­nen­stoff bespann­ten Brett ver­tei­len. So geht Pro­pa­ganda… Dachten Sie! So geht Pro­pa­ganda nämlich nicht, was hin­ge­gen so ging, war ver­ord­nete poli­tisch über­frach­tete Schul­po­li­tik der DDR, der sich die meisten Kinder zwar ergaben, jedoch nur die wenigs­ten einen inneren Bezug zur all­ge­gen­wär­ti­gen, lang­wei­li­gen Poli­tik­sülze hatten. Man nahm das so hin, wie man das Wetter hinnahm, zog die Kapuze über den Kopf und ließ den Regen vor­über­zie­hen.

Das regel­mä­ßige Bestü­cken der Wand­zei­tun­gen anläss­lich revo­lu­tio­nä­rer Jubel­tage wie dem 1. Mai oder dem „Tag der NVA“ geriet im Laufe des sich immer schlep­pen­der voll­zie­hen­den Sieges des Sozia­lis­mus ohnehin immer mehr ins Hin­ter­tref­fen, bis in den Acht­zi­ger Jahren diese Bretter, welche die Schüler selbst bestü­cken UND deren Inhalte sie eifrig glauben sollten, nach und nach abge­hängt wurden und ver­schwan­den. Es war unterm Strich wohl doch alles etwas dick auf­ge­tra­gen und jeder merkte das. Heute wissen wir, dass Pro­pa­ganda, wenn sie wirksam sein soll, niemals plump und beleh­rend, sondern subtil und ver­füh­re­risch sein muss, sonst stößt sie sauer auf. Die Deut­schen, denen in ARD und ZDF in jeder Nach­rich­ten­sen­dung ver­mit­telt wird, wie gut es ihnen doch ginge und wie übel es um sie herum bestellt sei – von der Welt weiter weg, hinter den sieben Trump-Bergen und bei den sieben Salvini-Zwergen ganz zu schwei­gen – diese Deut­schen haben jedoch in letzter Zeit immer öfter das Gefühl, dass in ihrer heilen Welt irgend etwas nicht ganz in Ordnung sein kann. Gerade weil immer wieder betont wird, dem wäre so. Nur die anderen, die würden langsam alle durch­dre­hen. Gefahr droht der Gegen­wart nur, wenn die Gestal­tung der Zukunft nicht in bewähr­ten Händen bliebe. Igno­rance is bliss!

Anders kann man die Leute nicht erziehen*

Das Leben ist zu kurz, um ihm auch noch Zeit für schlechte Fern­seh­se­rien abzu­zwa­cken und aus diesem Grund habe ich in meinem ganzen Leben noch keine Folge „Tatort“ oder „Poli­zei­ruf 110“ gesehen. Da beide mit den Mitteln staat­lich orga­ni­sier­ter Zwangs­be­glü­ckung finan­ziert werden, sage ich mir zudem, dass man zwar mein Geld requi­rie­ren kann, aber nicht auch noch meine Zeit. Und wenn ich doch mal absichts­voll ins Pro­gramm schaue, dann nicht zum Gucken, sondern zum Beob­ach­ten. Für den Poli­zei­ruf „Für Janina” vom 11.11.2018, der im mora­li­schen Rahmen der statt­fin­den­den „Gerech­tig­keits-los-wochos“ bei der ARD aus­ge­strahlt wurde, habe ich dank der ARD-Media­thek eine solche Aus­nahme gemacht.

Ver­ges­sen wir mal die Hand­lung, igno­rie­ren wir die Leis­tung der Schau­spie­ler, die ohne erkenn­ba­ren Grund zwi­schen den Modi „Schlaf­ta­blette“ und „Speed“ hin und her sprin­gen und wenden uns der Aus­stat­tung des Sets zu. Bei den Requi­si­ten wird übli­cher­weise nichts dem Zufall über­las­sen, um den Schau­spie­lern eine glaub­wür­dige Kulisse zu bieten. Ein Hamlet, der seine Mono­loge vom Smart­phone abliest oder ein Ben Hur mit Arm­band­uhr kommen sicher nicht authen­tisch rüber! Was also dachten sich Regie und Set-Design, als die das Büro deut­scher Poli­zis­ten nur so zupflas­ter­ten mit Sym­bo­len einer ver­fas­sungs­feind­li­chen „Orga­ni­sa­tion“ wie der Antifa, „FCK…“ und„Atomkraft nein danke“-Aufklebern, ver­mumm­ten Anti­fan­ten auf Pla­ka­ten und Flat­ter­band der Marke „Atom­kraft abschal­ten“. Antwort des 110-Social-Media-Teams: War schon immer so, gehört alles zur Rolle der Ermitt­le­rin Katrin König, da machst nix dran.

Nun muss man kein Links­ex­tre­mist oder ein Antifa-Erz­engel wie Frau Sto­kow­ski sein, um etwas gegen Nazis zu haben. Vor­aus­ge­setzt, es handelt sich tat­säch­lich um solche und nicht einfach um die neu­deut­sche Sam­mel­be­zeich­nung nicht­lin­ker Sel­ber­den­ker, die sich unter anderem in den Geschmacks­rich­tun­gen Kli­ma­l­eug­ner­na­zis, Anti­fe­mi­na­zis, Die­sel­na­zis, Mei­nungs­na­zis und Nazi­na­zis (AfD) und See­ho­fer wie die Kar­ni­ckel zu ver­meh­ren schei­nen und umso zahl­rei­cher werden, je lauter der Kampf gegen sie beschwo­ren wird und je groß­zü­gi­ger das Geld dafür fließt. Man könnte anneh­men, es handele sich hier um ein dem Kobra-Effekt ähn­li­ches Para­do­xon.

Dass sich Poli­zei­be­amte jedoch in ihren Dienst­räu­men zu grünen Kampf­the­men wie Atom­kraft äußern, ist zunächst mal sehr unwahr­schein­lich. Schließ­lich ist es ange­sichts einiger noch lau­fen­der AKWs aus­ge­rech­net die Polizei, die die erfor­der­li­chen „großen Sicher­heits­an­fra­gen“ erstellt, die jeder bestehen muss, um über­haupt Zugang zu sen­si­blen Berei­chen eines solchen Kraft­werks zu erhal­ten – und das ist auch gut so! Ich kann mit Sicher­heit sagen, dass Fes­sel­kunst­stü­cke auf den Gleisen bei Gor­le­ben oder „Atom­kraft nein danke“ Auf­kle­ber bei der Erlan­gung einer Sicher­heits­frei­gabe eher hin­der­lich sind. Die Polizei verhält sich im echten Leben zum Glück doch noch etwas pro­fes­sio­nel­ler, als sich das ein deut­scher Dreh­buch­schrei­ber aus­den­ken könnte.

Gute und schlechte Sturmmasken

Ermitt­le­rin König in der Poli­zei­ruf- Folge „In Flammen”. Wie man wohl gute von bösen Ver­mumm­ten unter­schei­det?

Völlig befremd­lich mutet es hin­ge­gen an, wenn eine Ermitt­le­rin ihr Büro gera­dezu voll­pflas­tert mit Sym­bo­len einer Orga­ni­sa­tion, die wenig bis nichts übrig hat für Poli­zis­ten. Abge­se­hen natür­lich von Steinen, Geh­weg­plat­ten, Stahl­ku­geln, Pfef­fer­spray und Mollis, die von der Antifa bei zahl­rei­chen Demos groß­zü­gig als Sach­spende an die Beamten ver­schickt werden. Man könnte ver­mu­ten, dass es eine gewisse Unver­ein­bar­keit gibt zwi­schen dem Dienst­auf­trag der Polizei, das staat­li­che Gewalt­mo­no­pol durch­zu­set­zen, und der Bestre­bung der Antifa, dieses Gewalt­mo­no­pol in Anar­chie auf­zu­lö­sen. Die selbst­ge­wählte Büro-Deko, die man der Figur König hier gönnt, ist also im besten Fall eine ziem­lich heftige Inkon­sis­tenz in der Dreh­buch­reihe. Wenn König etwa in der Seri­en­folge davor („In Flammen“) Ermitt­lun­gen gegen eine ver­mummte, vor­geb­lich rechts­ex­tre­mis­ti­sche Ent­füh­rer­ge­stalt führt, aber eine ver­mummte, links­ex­tre­mis­ti­sche Anti­fa­ge­stalt auf dem Poster an ihrer Tafel ihr in der nächs­ten Folge schon wieder ihr Herz wärmt, sollten die Dreh­buch­schrei­ber der Pro­fi­le­rin König ernst­haft über­le­gen, ob sie dieser den rich­ti­gen Beruf ver­passt haben. Oder, um es mit den Po-ethi­schen Worten der fein­sah­ni­gen Fisch­lein zu sagen, deren Fan die Kom­mis­sa­rin laut Dreh­buch und Aus­stat­ter auch ist: „Niemand muss Bulle sein!“

Das stimmt zwei­fel­los. Aber bei Kri­mi­se­rien gibt es andere Maß­stäbe an die Kon­sis­tenz und Plau­si­bi­li­tät von Motiv, Gele­gen­heit, Physik und psy­chi­scher Aus­stat­tung aller han­deln­den Figuren, als bei „Bugs Bunny“ oder „Prin­zes­sin Lil­li­fee“. Pro­pa­ganda fällt in einem Krimi sehr viel schnel­ler auf. Die Wahr­schein­lich­keit, in einem deut­schen Poli­zei­büro auf ein Plakat der Antifa zu treffen, ist gerin­ger als die, ein signier­tes Porträt einer bestraps­ten Hillary Clinton in Trumps Büro an der Wand zu finden! Und nein, eine Dart­scheibe zählt in beiden Fällen nicht.

Das sollten die Pro­du­zen­ten, Regis­seure und Dreh­buch­au­toren bei ARD und ZDF spä­tes­tens seit den G20-Riots in Hamburg wissen. Gutes und Schlech­tes hatte dieser Poli­zei­ruf zu bieten. Gut ist, dass ich nun weiß, warum ich diesen ideo­lo­gisch über­la­de­nen Käse nicht gucke. Schlecht: ich bezahle immer noch dafür.

* O-Ton aus einem Inter­view von „Leichte Fahne Lit­schie-Tee”: „Wir würden kein Fes­ti­val spielen, wo Frei.Wild spielt oder gespielt hat. Wir spielen auch in keinen Läden, wo Frei.Wild schon gespielt hat. Es ist so mar­gi­nal, natür­lich denkt man sich „Okay, das wäre der per­fekte Laden.“ Wir machen uns schon sehr viele Gedan­ken darüber und es gibt auch fast gar nicht 100% coole Läden. Und da ist es auch toll, dass das Booking bei Audio­lith da unsere Wünsche respek­tiert. Es gibt auch Fes­ti­vals die uns Buchen wollten, wie Wacken, und da können wir nicht spielen, weil da dann teil­weise Bands spielen wo wir sagen „ey nee“. Und ich glaube anders kann man Leute nicht erzie­hen.[Anmer­kung: Die Fisch­lein haben indes kein Problem, ihre Sahne genau wie Frei.Wild auf Amazon gegen kapi­ta­lis­ti­sche Währung zu ver­kau­fen. Erzie­hung ist wohl doch Glücks­sa­che, da geht es Musi­kern wie Poli­zei­ruf-Ermitt­lern. Gesin­nung hin­ge­gen ist von Dauer, die über­lebt jede Zahlung und steht den Ver­ant­wort­li­chen wie eine Wand­zei­tung ins Gesicht geschrie­ben.]

 


Quelle: unbesorgt.de



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