Die Show ist aus, die Bühne abgebaut, das Spektakel vorbei. Bravo, Rotterdam! Etwas Besonderes war der diesjährige Eurovision Song Contest, wie der altehrwürdige Grand Prix Eurovision de la Chanson hierzulande seit 20 Jahren heißt.
So mancher, der dem jährlichen Stelldichein der mehr oder weniger talentierten Namenlosen Europas normalerweise gar nichts abgewinnen kann, war diesmal neugierig. Das lag nicht etwa daran, dass sich eine der Musikgrößen in den Sangeswettbewerb verirrt hätte, wie es gelegentlich schon einmal vorkommt, sondern am Publikum. Erstmals seit langer Zeit gab es im Fernsehen wieder eine Veranstaltung mit Tausenden von Zuschauern zu bestaunen, noch dazu in einer Halle. Ein bisschen fühlte es sich an wie früher und doch reichlich skurril. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier, und mancher mag sich dabei ertappt haben, mit der angedeuteten Rückkehr zur Normalität zu fremdeln. Um den Corona-Schein zu wahren, etikettierte die niederländische Regierung das Treiben als „wissenschaftliche Studie“. Niemand wurde müde, die strengen Sicherheitsauflagen und die perfekte gesundheitliche Überwachung zu loben. Dem Zuschauer konnten derlei Flötentöne egal sein – endlich durften sich 3.500 Menschen wieder in einer Halle versammeln, ohne Maske, ohne Abstand, aber natürlich wohlfeil getestet. Andernorts hatte man solcherlei Studien bereits hinter sich gebracht, etwa in Großbritannien, wo in einer Reihe von Stadion- und Hallenevents insgesamt 58.000 „Probanden“ mitwirkten. Das wenig überraschende Ergebnis waren dabei ganze 15 positive Corona-Tests – inklusive der vorab genommenen Proben, die Interessierte von der Mitwirkung ausschlossen. Aber sei´s drum, heute soll es um etwas ganz anderes gehen.
Nicht wenige hatten befürchtet, selbst Europas ESC-Fans könnten der germanischen Zeigefingerattitude überdrüssig sein
Tatsächlich lag die Qualität der Darbietungen diesmal auf einem erstaunlichen Niveau. Offenbar hat vielen die Corona-Zwangspause des Jahres 2020 gut getan. Vor allem Italien, das nach über dreißig Jahren endlich wieder einmal gewinnen konnte, und Frankreich, das sogar seit 1977 auf einen Sieg wartet und sich knapp geschlagen geben musste. Ähnliches hätte man sich aus deutscher Sicht auch gewünscht. Doch der Abend verlief so, wie ihn alle vorausgesagt hatten, die irgendetwas von Musik verstehen. Nicht wenige hatten frühzeitig die regierungsamtliche Botschaft des deutschen Liedchens bemängelt und befürchtet, selbst Europas ESC-Fans könnten der germanischen Zeigefingerattitude überdrüssig sein. Sie sollten recht behalten. Vernichtend waren die Kommentare am Tag danach. Die Auslandspresse sparte nicht mit Häme für das deutsche Waterloo, und auch die heimischen Analysen fielen wenig schmeichelhaft aus. Im Zentrum des Spotts stand neben der spätpubertären Darbietung eines unbekannten Musical-Sternchens die abstoßend aufdringliche Anti-Hass-Parole, die sich um der deutschen Gutmenschen liebstes Thema drehte. „I don´t feel hate“, trällerte Hupfdohle Jendrik, und Europa hasste es. Text und Melodie hatte der 26-jährige Hamburger selbst kreiert. Die moralinsaure Semesterarbeit hätte sicher manch aufmunterndes Kopfnicken an Hamburgs Musikschulen geerntet, nicht aber von Europas Zuschauern. Die waren sich einig: Germany – zero points. Nur die Juroren aus Rumänien und Österreich sorgten dafür, dass Deutschland den letzten Platz mit drei Punkten knapp vermied. Den wies Europa den Briten zu, die zwar tatsächlich den schlechtesten Song präsentierten, ihre Null-Punkte-Nummer aber wohl eher der kollektiven Abstrafung für den Brexit verdankten.
Die öffentlich-rechtlichen Belehrungsweltmeister reagierten so, wie sie immer reagieren: Alles richtig gemacht, Schuld sind die anderen
Es ist bezeichnend, das sich nicht einmal die ultra-woke ESC-Community für das politisch korrekte Vorschulbildungsprogramm aus Deutschland erwärmen konnte. Weder dem LGBT-Publikum vor den Fernsehgeräten schmeckte der fingerdick aufgetragene Anti-Hass-Aufstrich, noch den auf den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung eingeschworenen Jury-Mitgliedern. Auf diese Karte hatte der für das deutsche Liedchen verantwortliche NDR gesetzt und erlebte eine selbst für die leidgeprüften Flopbeauftragten bemerkenswerte Pleite. Die öffentlich-rechtlichen Belehrungsweltmeister reagierten so, wie sie immer reagieren: Alles richtig gemacht, Schuld sind die anderen. Dauermoderator Peter Urban kommentierte das Fiasko mit einem genervten Seitenhieb auf die Bürger des Kontinents, denen er ziemlich unverhohlen unterstellte, zu doof zu sein, die Message zu begreifen. Trotzig lobte der NDR seinen Schützling und dessen „wichtige Botschaft“. Ein „perfekter Auftritt“ sei es gewesen. „Jendrik hat seinen Traum vom ESC mit uns gelebt!“ – das alte olympische Motto, dessen sich die deutsche Mittelmäßigkeit längst auch im Sport bedient und überhaupt überall dort, wo Wettbewerb droht. Dass man in Europa vielerorts wenig Neigung verspürt, Deutschland dabei zu folgen, Meinungsfreiheit zur Hetze zu erklären, kommt der Moral- und Haltungspolizei des deutschen Mediengewerbes nicht in den Sinn. Im kommenden Jahr wird Deutschland dann sicher ein Klimakatastrophenlied präsentieren. Europa muss erzogen werden. Und das können wir Deutsche ja bekanntlich ganz besonders gut, auch wenn wir manchmal dafür die Unterstützung Österreichs brauchen. Deren Jury hat uns diesmal zwei unserer drei Punkte gegeben. Das ist immerhin ein Anfang.
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