Kein klüger Land in dieser Zeit

Deutschland ist klug, es war nie klüger als heute. Und das hat einen guten Grund, der seit Alters her im Sprichwort „Aus Schaden wird man klug“ überliefert ist. Was jahrhundertelang sich als „normative Kraft des Faktischen“ erwies, nämlich dass bei dämlichem Verhalten zunächst Schaden sich einstellt, der in dessen Korrektur sich alsdann zur Klugheit wandelte. Diese dann gebündelte und normierte Klugheit führte letztendlich zum Land der Dichter und Denker, dem Land der Erfinder.

Davon wird derzeit nur noch in politisch unkorrekten Erzählung berichtet, waren die Früchte dieses Denkens allesamt bäh wie beispielsweise der Dieselmotor, der heute noch morgens angehende Denker-/*innen zur Schule fährt.

Mit „Trial-and-Error“ wird ein Verfahren beschrieben, das von Nichtwissen ausgeht, den Versuch und den daraus resultierenden Irrtum ausdrücklich erlaubt. Nicht erlaubt hingegen ist, Versuch und Irrtum zum dauerhaften Standardmodell zu erklären und daraus kein richtiges Verhalten abzuleiten. Sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, wie Kant es formulierte, scheint aus der Mode gekommen zu sein. Statt auf die daraus zuweilen erwachsende Klugheit zu hoffen, wird ein Strammstehen wie auf den Schulhöfen Nordkoreas verlangt. „Nehmt Haltung an“, Scheitel und Daumen an der volkseigenen Hosenanzugsnaht, im Gleichschritt „Seit an Seit“ wird zur En vogue-Kultur. Wie wenig „woke“ (erwacht), wie wenig durchdacht das alles ist, kümmert die Ausrufer der Schadenskulturrevolution nicht. Genau bei diesem Punkt scheint nicht nur die deutsche Politik, sondern auch die Gesellschaft zu verharren. Tausende Variationen der nur denkbaren Schäden bereits ausprobiert, wird nichts unterlassen, um die Erfahrung weiterer, neuer und noch unbekannter Schadensmuster zu erkunden, koste es, was es wolle.

Lehrbücher, ob jene für Physik oder für die Wurstherstellung, die nicht eindeutige Regeln für das, wie es „vom Ende her gedacht“ sein sollte enthalten, landeten auf dem Müll, sprich sie würden erst gar nicht gedruckt. Ob Schüler, Student oder Staatsbürger, wir verlangen nach Anleitungen, die Lösungswege beschreiben. Keine Wurstfabrik könnte es sich leisten, 83 Millionen quicklebendiger Schweine durch den Fleischwolf zu drehen, falsche Zutaten zuzumischen, um dann die nicht mundenden Würste zu entsorgen. Entsorgen, vom Ende her gedacht, sollte uns vor Sorgen bewahren bevor noch größeres Unheil geschieht.

Schäden en masse zu erleben schreit förmlich nach Klugheit. Offensichtlich scheint diese Klugheit derzeit zwar noch in Millionen von Köpfen zu ruhen, darf jedoch nicht ans Tageslicht. Doch was hülfe denn alle Klugheit, wenn die Klugen dabei ihrer Köpfe verlustig gingen? „Haltung zeigen“ hält wenigstens den eigenen Kopf dort, wo er sich zum zustimmenden Nicken noch brauchbar einsetzen lässt.



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