Im Vorfrühling dieses Jahres trat in Tel Aviv, Israel, das Komitee für Verfassung, Recht und Gerechtigkeit zusammen, um einen Gesetzesentwurf zu diskutieren, der es dem Staat erlauben würde, Grundbesitz zu beschlagnahmen und zu enteignen, das die Christlichen Kirchen an private Investoren verkauft haben. Außerdem hatte die Jerusalemer Stadtverwaltung eine neue, kommunale Steuerordnung beschlossen, der zufolge nun auch die christlichen Kirchen Steuern auf einige ihrer Immobilien entrichten müssen.
Die christlichen Kirchen reagierten auf die neue Lage mit einer Protest-Schließung der Heiligen Grabeskirche in Jerusalem. Von Orthodoxen und Katholiken wird die Heilige Grabeskirche in Jerusalem als der Ort angesehen, an dem Jesus gekreuzigt, begraben und auferweckt wurde. Die Kirche des Heiligen Grabes gilt als eine der heiligsten Kultstätten für viele Christen.
Die katholischen Kirchenangehörigen protestierten gemeinsam mit den orthodoxen Kirchen energisch gegen beide Gesetzesentwürfe, mit einem bisher halben Erfolg: Die Minister vertagten im Frühjahr die Knesset-Debatte über das Enteignungsgesetz. Die Kirchenoberhäupter beider christlichen Religionsgemeinschaften wandten sich auch scharf gegen eine Entscheidung der Jerusalemer Stadtverwaltung, die Vermögenswerte beider Kirchen so lange einzufrieren, bis diese die von der Stadt geforderten mehreren Millionen Schekel (eine Million Schekel sind ca. 250.000 Euro) an neuen Steuern bezahlt haben. Diese Verordnung ist nach wie vor in Kraft.
Am Vormittag des Sonntags der Schließung der heiligen Grabeskirche lasen der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III., zusammen mit dem Kustos des Heiligen Landes, dem Franziskanermönch Francesco Patton und dem armenischen Patriarchen Nourhan Manougian, eine Erklärung zu der Protestaktion vor. Alle Kirchenvertreter prangerten die systemische Diskriminierung der christlichen Gemeinde in Israel an. „Das erinnert uns alle an Gesetze ähnlicher Art, die in dunklen Perioden in Europa gegen die Juden erlassen wurden.“
Daraufhin schlossen alle drei auch gemeinsam die alten Tore der uralten Kirche in der Jerusalemer Altstadt ab. „Wir werden entscheiden, wann und wie die Kirche wieder geöffnet wird“, sagte Theophilus.
Das Gesetz zur Enteignung des verkauften Grundbesitzes wurde jedoch nicht aus Gründen der Diskriminierung der christlichen Gemeinden gemacht. Es geht eher darum, Hunderte von israelischen Bürgern zu schützen. Sie wohnen in Häusern auf Grundstücken, die ehemals den Kirchen, hauptsächlich der griechisch-orthodoxen Kirche, gehörten und zum größten Teil auf 99 Jahre gepachtet wurde. Diese 99-Jahres-Verträge stammen aus den 1950er Jahren und wurden über den Jüdischen Nationalfonds zwischen den christlichen Kirchen und dem Staat abgeschlossen. Laut dieser Verträge fallen nach dem Auslaufen der Pachtverträge alle Grundstücke samt darauf befindlichen Gebäuden an die Kirchen zurück. Die israelischen Pächter gingen davon aus, dass die Mietverträge von den Käufern übernommen würden. In den letzten Jahren hat die Griechisch-Orthodoxe Kirche viele ihrer Immobilien an private Investoren verkauft, um ihre hohen Schulden zu begleichen. Niemand weiß nun, ob die neuen Eigentümer die die Mietverträge übernehmen oder erneuern werden, und wenn ja, unter welchen Vertragsbedingungen. Falls die neuen Eigentümer der Liegenschaften sich mit den Vertretern der Pächter nicht einigen können, hat der Staat Israel als letztes Mittel mit der Enteignung der Immobilien gedroht.
Die Kirchen sind darüber überhaupt nicht erfreut und fassen die Enteignungs-Gesetzesvorlage als einen Angriff auf ihr Recht auf, ihre einzige Ressource zu kaufen und zu verkaufen – Investitionsobjekte. Das ist begründet, denn sollte es dazu kommen, dass der Staat diese Liegenschaften enteignet, wären kirchliche Immobilien in Zukunft praktisch unverkäuflich.
Der Streit um die neu erhobenen Steuern entzündet sich an der Frage, ob sich die Steuerbefreiungen für die Kirchen auch auf Grundstücke wie Schulen, Hotels und Wohnungen erstrecken, die nicht direkt für den Gottesdienst oder religiöse Zwecke genutzt werden. Die Kirchen – und auch hier wieder zuvörderst die Orthodoxe Kirche – verteidigen natürlich ihre bisher unangetastete, grundsätzliche Steuerfreiheit. Es würde ihre Einkünfte spürbar schmälern, würden die Einnahmen aus der Vermietung dieser Immobilien entfallen.
Die Kommune Jerusalem hat über ihren Anwalt eine Mitteilung an den Anwalt der christlich-orthodoxen Kirche in Jerusalem geschickt, in der er ein Pfandrecht auf die Vermögenswerte der orthodoxen Kirche in Höhe von 30,6 Millionen NIS (Israelische Schekel, entspricht ca. 7,2 Millionen Euro) erhoben wird. Das ist die Summe, die an Steuern auf die nicht religiös genutzten Immobilien berechnet wurde. Eine Aufstellung, nach welchen Regeln und Steuersätzen die Stadt diese Summe ermittelt haben will, gibt es nicht. Sie erscheint auch deshalb fragwürdig, weil im gleichen Schreiben die Kirche aufgefordert wurde, die Vermögenswerte der Kirche detailliert aufzuführen. Außerdem möge man doch bitte gleich einen Scheck mit der geforderten Summe beilegen.
Dazu kommt noch ein neuerlicher Aufreger: Die Stadt Jerusalem will diese Forderung auch deshalb durchdrücken, weil sie hochwertige und besonders wertvolle Immobilienobjekte in der christlichen Altstadt an die stramm-rechte „Ateret Kohanim-Organisation“ verpachten. Diese religiös-zionistische Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, die jüdische Präsenz in der Altstadt wiederherzustellen und zu stärken.
Der Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat findet es nicht fair, den Kirchen auch für rein wirtschaftlich genutzte Objekte Steuerbefreiung zu gewähren. „Warum sollte das Mamila Hotel Steuern zahlen und das Notre Dame Hotel, das genau gegenüber liegt, von Steuern ausgenommen sein?“, twitterte er und fügte hinzu, dass die christlichen Kirchen zusammen der Stadt 650 Millionen NIS (153 Millionen Euro) schulden.
Quelle: Times of Israel