Der sogenannte Hirntod, der als Voraussetzung für die Organspende gilt, gehört auf den wissenschaftlichen Prüfstand. Längst haben sich Zweifel unter Medizinern gemehrt, die eine neue Ethikdiskussion fordern. Die Organspendelobby kümmert das wenig. Breite mediale Wirkung ist durch die Beteiligung prominenter Unterstützung gesichert.
In Berlin hat sich eine neue gemeinnützige Initiative zum Thema Organspende gegründet.
„Leben Spenden – Bündnis für Organspenden“ setzt sich dafür ein, dass in Deutschland die Zahl für lebensrettende Organspenden deutlich steigt. Eine wichtige Bedingung dafür seien Verbesserungen in Infrastruktur und Abläufen in den Kliniken. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die notwendigen Beschlüsse verbindlich und nachprüfbar umgesetzt werden.
„Leben Spenden“ unterstützt ausdrücklich die überparteiliche Initiative zur Einführung der Widerspruchsregelung.
Gründungsmitglieder und Unterstützer von „Leben Spenden – Bündnis für Organspenden“ sind u.a. der Chefchirurg der Charité, Prof. Dr. Johann Pratschke, der Direktor der Klinik für Nephrologie/ Intensivmedizin Prof. Dr. Kai-Uwe Eckardt, der frühere Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm, Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien wie Prof. Dr. Claudia Schmidtke (CDU) und Michael Link (FDP), sowie der Sozialethiker Prof. Dr. Gerhard Kruip von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz, der ehemalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel, betroffene Patienten und Patientenvertreter, der herztransplantierter Olympiasieger Hartwig Gauder, der auch „Sportler für Organspende“ mitbegründet hat sowie der Autor David Wagner, Träger des Leipziger Buchpreises und lebertransplantiert.
Zu den Unterstützern gehören ausserdem die Verlegerin Friede Springer sowie der stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung (und frühere DGB-Chef) Michael Sommer, der seiner Frau eine Niere gespendet hat.
Folgende Behauptung widerspricht früheren Schlagzeilen, nach denen die Deutschen Organspendemuffel seien. So hatte laut BILD die Organspendebereitschaft 2017 einen Tiefstand erreicht, den es zu beheben gelte:
„84 Prozent der Deutschen stehen dem Thema Organspende positiv gegenüber. Ein gesetzliches Widerspruchsmodell greift die grundsätzliche zustimmende Haltung der Bevölkerung auf – jede Person kann aber jederzeit ohne Angabe von Gründe einen Widerspruch zur Organentnahme hinterlegen. Selbstbestimmung und Freiwilligkeit bleiben gewahrt. So sah es auch der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme 2007.“
Und die umgehend als gemeinnützig anerkannte NGO, was im Falle der Vereinigung der Freien Medien e.V. (i.Gr) abgelehnt wurde, rührt weiter die Werbetrommel:
„Ein Widerspruchsmodell allein ist zwar keine Garantie für eine schnelle Erhöhung der Spenderzahlen“, sagt dazu die Initiatorin und Vorsitzende der neuen Initiative, Jutta Falke-Ischinger, „doch kann eine solche Regelung die allgemeine Wahrnehmung nachhaltig verändern. Gedanken an Organspende werden mehr und mehr zum Normalfall – bei den Bürgerinnen und Bürgern und – ganz wichtig – bei den Ärtzeteams und dem Pflegepersonal auf den Intensivstationen.“
So war es auch in Spanien, das vielen als Vorbild gilt. „Die Steigerung der Organspenderzahlen lag dort nicht primär an der Widerspruchslösung, sie ist aber ein wichtiges Fundament für den Erfolg der Strukturmaßnahmen und die anhaltend große Akzeptanz in der Bevölkerung,“ erklärt Dr. Thomas Breidenbach, Leiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) Bayern und ebenfalls Gründungsmitglied von „Leben Spenden“.
Dass umgekehrt strukturelle Veränderungen allein auch nicht genügen, zeigt der Blick auf die Erfahrungen unserer niederländischen Nachbarn. Dort wurden in den letzten zehn Jahren Abläufe und Infrastruktur in den Kliniken in einem nationalen Masterplan erheblich verbessert – und dennoch stiegen die Spenderzahlen nicht im erwarteten Maße. Nach bisheriger Regelung muss dort ähnlich wie in Deutschland die Zustimmung zur Organspende hinterlegt sein, das ist allerdings bei weniger als einem Drittel der Bevölkerung der Fall.
Obwohl auch die Niederländer insgesamt positiv zur Organspende stehen, legten im Einzelfall die Angehörigen die fehlende Zustimmung des Verstorbenen mehrheitlich als Ablehnung aus und versagten die Einwilligung zur Organspende ( vgl. https://journals.lww.com/transplantjournal/toc/2018/08000 Vol 102, Issue 8, August 2018). Eine Gesetzesänderung soll nun die bereits funktionierenden Klinikstrukturen mit einem neuen gesellschaftlichen Konsens verbinden: Das Parlament in Den Haag beschloss Anfang 2018 die Widerspruchsregelung.
Vor wenigen Wochen folgte das britische Unterhaus. Die Widerspruchsregelung gilt unterdessen in mehr als zwanzig Ländern Europas, die nahezu alle höhere Spenderzahlen aufweisen als Deutschland. Deutlich für die Widerspruchsregelung hat sich kürzlich auch die Deutsche Transplantationsgesellschaft ausgesprochen, ebenso wie der Verband der niedergelassenen Ärzte.
Dazu „Leben-Spenden“ Vorsitzende Falke-Ischinger: „Das wichtigste Ziel muss sein, mehr Menschen durch eine Transplantation zu retten. Dazu brauchen wir beides: die notwendigen strukturellen Maßnahmen und – als gesellschaftliches Bekenntnis für Organspende – die Widerspruchsregelung. Der hinhaltende Verweis auf die nun beschlossenen Strukurreformen mag der Politik Zeit verschaffen. Nicht aber den in Ungewissheit wartenden Patienten!“
http://opposition24.com/organspende-fragwuerdige-grenze-hirntod/