Warum die Papiere nicht risikoreicher als Bundespapiere sein dürften
In Italien wollen die rechtsextreme Lega Norte und die populistische 5-Sterne-Bewegung einen Schuldenerlass von 250 Mrd. € fordern. Das hört sich dramatisch an, gibt es doch den alten Gerüchten von der Pleitegefahr Roms neue Nahrung. Dennoch würde auch so ein Mammut-Nachlass nahtlos in den permanenten Regel-Bruch der EU/EZB passen. Getreu der Maxime to big to fail würde Italien nichts passieren. Die Markt-Profis wissen es. Deutsche Privatanleger sollten die ähnlich sicheren aber höher rentierenden italienische Staatsanleihen kaufen. Die Empfehlung wird manchen Leser überraschen. Kaufen wenn die Kanonen donnern! – besagt jedoch eine alter Börsenspruch.
Berlin nicht viel besser dran als Rom
Die EU kritisiert den Schuldenweltmeister USA, steht mit 18 Bill. € Gemeinschaftsschulden aber genau so tief in der Kreide. Deutschland, Frankreich und Italien weisen in etwa die gleiche absolute Schuldenhöhe von 2 Bill. € aus. Damit der Wähler keine Angst bekommt, werden diese vielen Nullen relativ in % des BIP gesetzt.
Da Deutschland eine größere Volkswirtschaft und Bevölkerung als Italien hat, fällt die relative Verschuldung optisch günstiger aus. Schaut man sich die zeitliche Fälligkeitsstruktur der Staatschulden in Anleihen (daneben gibt es noch die Bankkredite) dennoch genauer an, so gibt es kaum Unterschiede. In den kommenden 5 Jahren hat die Republik Italien mit 678 Mrd. € gegenüber von 820 Mrd. € bei Deutschland sogar deutlich weniger zu tilgen https://www.finanzen.net/anleihen/italien-anleihen.
Der deutsche Michel aber zu sehr in seine Solidität verliebt
Dennoch wissen wir, wie der sich für solide, fleißig und sparsam und clever haltende deutsche Michel gerne auf die anderen mit dem Finger zeigt. Das seien alles Tugenden, das sagen unsere Medien – meint er. Fleiß liegt in unserer Natur, nur ein Lump, lebt auf Pump!
Die anderen Europäer halten das Verhalten eher für Dummheit (Konsumverzicht, wo andere großzügig Geld ausgeben) Gutgläubigkeit (nimmt alle über die Alternativlosigkeit der Schwarzen Null &C o. für bare Münze) und Sturheit (will die unbequemen Fakten nicht wahrhaben). Wie dem auch so, wer in Zeiten des permanenten Regelbruchs den Anständigen und den Verantwortungsbewussten spielt, wird das Nachsehen haben.
Als ich vor 40 Jahren mein VWL-Examen machte, glaubte ich fest an den sog. Finanzierungsvorbehalt und die Schuldenobergrenzen. Heute sehe ich ein, dass die Weltwirtschaft trotz hemmungslosen Schuldenmachen munter weiter funktioniert. Auch meine Heimatstadt Köln verdoppelt zeitweise wegen 15.000 Migranten seinen Jahresverlust um gut 100 Mio. € und nichts passiert.
Eine bilanzielle Insolvenz wegen zu hoher Verschuldungskennzahlen wird es wohl niemals geben. Vielmehr bricht das System zusammen, wenn der Michel „nicht mehr mag zu arbeiten, weil die anderen auch ohne Arbeit alles bekommen“. Denn jede soziale Wohltat oder „Notwendigkeit“ wird heute finanziert (in Köln über Sparkassenkredite). Der Finanzierungsvorbehalt ist mausetot.
Die Politik muss den Michel ihn nur bei Laune halten und ihm pausenlos die Märchen von Spardisziplin, Haushaltkonsolidierung oder Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen einbläuen.
Der kluge Michel kauft italienische Staatsanleihen!
Als Börsianer möchte ich meinem Mitbürger dennoch etwas Gutes tun und ihn gerade zum Kauf von italienischen Staatsanleihen animieren.
Er bekommt per heute (20.5.2018) bei einer langlaufenden Anleihe (WKN 196142; siehe Graphik oben) eine laufende Verzinsung von 4,74%. Die Berechnung ist wie bei der Dividenden-Rendite: 6,5% Kuponzinsen bezogen auf den Emissionskurs von 100, geteilt durch den aktuellen Börsenkurs von 137,11 macht 4,22% aus. Bei der Rendite per Endfälligkeit am 1.11.2027 also in etwa 9,5 Jahren sind es immer noch 2,59%. Hier ist dagegen wie folgt zu rechnen: 9,5 Kuponzahlungen x 6,5% Jahreskupon minus 37,16 – da die Anleihe zum Emissionskurs von 100 zurückgezahlt wird und ein Kursverlust von 37,16 entsteht – geteilt durch 9,5 Jahre.
Zum Vergleich: eine ähnliche Bundesanleihe (WKN 113504) wirft nur eine endfällige Rendite von 0,68% ab. Da wie ausgeführt, Italien nichts passiert, sind die 1,91% an jährlicher Renditedifferenz unbedingt mitzunehmen. Wer mehr zum Thema erfahren will, sollte die Seite https://finanzer.eu/category/boerse/anleihen-zinsen/ studieren.
Dr. Viktor Heese – Fachbuchautor und Finanzanalyst; www.prawda24.com, www.finanzer.eu