Markiert sind wir

woman in black long sleeve shirt and white hijab

Du hast mich mit meinem Innersten geschaffen, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet. Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast” (Psalm 139:13)

Markiert sind wir – das Volk, der Plebs, das Pack, der Pöbel. Stets konnte sich der Adel entwürdigenden Prozeduren entziehen oder Markierungen wählen, die seinen Status erhöhten statt ihn auf die Ebene eines Tieres, eines Unberührbaren herabzusetzen. Wer sich erhöht, braucht einen anderen, der erniedrigt wird und auf der unteren Stufe – freiwillig oder unfreiwillig – verharrt. Insofern sind die „Höherwertigen” und ihre Privilegien ständig der Bedrohung ausgesetzt, dass die als „minderwertig” Markierten aufbegehren, nach oben streben und so die höheren Stände ihrer Privilegien berauben.

Die Herzens- und Charakterbildung scheint Schwankungen in der Menschheitsgeschichte zu unterliegen. Derzeit scheinen wir durch ein Tal der Tränen zu gehen, in dem die Herzen verhärtet und die Menschen in Angst erstarrt sind. So viele scheinen vergessen zu haben, worum es im Leben wirklich geht und haben sich dem spirituellen Materialismus und Mammon- und Götzendienst ergeben. Gesunken sind wir auf die Stufe des Tieres.

„Lotusfüße als Zeichen der Schönheit

In China erfreute sich vor 1.000 Jahren die Tänzerin Yao Niang so zierlicher Füße, dass alle Männer ihr ergeben waren. Diese Füße gewährten ihr den Zugang zu den Innenräumen des Kaisers Li Houzhou. Sie wurde seine Konkubine und tanzte mit ihren eng bandagierten Füßen auf einer eigens für sie erbauten Bühne in Form einer Lotusblüte. Fortan galten kleine „Lotusfüße“ für Frauen als Eintrittskarte in eine Ehe mit einem wohlhabenden Ehemann, für den die verkrüppelten Füße wiederum ein Garant für die Abhängigkeit seiner Gattin waren. Denn die Frau konnte mit den verstümmelten Füßen nur wenige Meter gehen und benötigte deshalb zum Verlassen des Hauses stets eine Sänfte. Zu ihrem Besten bandagierten chinesische Mütter ihren Töchtern jahrhundertelang ab dem 7. Lebensjahr die Füße und zwangen sie, solange mit den umgebogenen Zehen zu laufen, bis diese brachen. Der Lohn für die Qualen war die spätere Versorgung durch den Ehemann. Frauen mit unbandagierten Füßen wurden von den Männern geächtet und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Diese Tradition eines rundum versorgten Lebens im goldenen Käfig und der Einhegung der Frau in das Haus wurde erst 1949 unter Mao Zedong verboten.

Rassentrennung als Zeichen der Höherwertigkeit

Getrennte Trinkbrunnen (Gemeinfrei)

Bis in die 1960er Jahre galt die Rassentrennung in den USA. Die ursprünglich als Sklaven verschleppten Afroamerikaner hatten keinen Zutritt zu Toiletten, Schulen, Restaurants und Theatern, die Weißen vorbehalten waren. Weiße und Schwarze mußten unter Androhung von Strafen an unterschiedlichen Trinkbrunnen ihren Durst stillen.

1963 lehnten sich 30 schwarze Teenagerinnen in Leesburg, Georgia, gegen die Apartheid auf. Sie marschierten von ihrer Kirche zu einem Kino und versuchten, am Haupteingang Tickets zu lösen, obgleich dieses Privileg Weißen vorbehalten war. Schwarze mussten den Hintereingang in einer dunklen Gasse nutzen. Weil die Mädchen – einige von ihnen waren erst 12 Jahre alt –versucht hatten, sich den Weißen gleichzustellen, wurden sie 20 Meilen von ihren Eltern entfernt in eine befestigte Palisade verschleppt und dort 45 Tage lang festgehalten. Es gab keine sanitären Anlagen. Sie mußten auf dem Betonfußboden schlafen und erhielten von den Wärtern halbgare Hamburger, bis ihre Eltern sie endlich fanden und befreien konnten.

Die Mädchen von Leesburg in der Palisade (1963).
Dragonsingreed, CC BY-SA 4.0

In Bussen mußten Schwarze damals hinten sitzen und ihren Sitzplatz für Weiße räumen. Rosa Parks weigerte sich 1955 als erste, ihren Sitzplatz in einem Bus für einen Weißen zu räumen, was die späteren Rassenunruhen einläutete, die dann mit „Black Lives Matter” einen unrühmlichen Höhepunkt erreichen sollten. Heute streben viele Schwarze nach „Vergeltung” für die erlittenen Demütigungen und versuchen nun ihrerseits, die Weißen zu degradieren. Jedoch: Wird dadurch unser aller Leben auf Erden besser?

Das Kopftuch als Zeichen der Keuschheit

Im Orient diente ab dem 7. Jahrhundert das Kopftuch als Markierung, „…um den sozialen Rang der muslimischen Frau als freie Frau – im Gegensatz zur Sklavin – zu markieren und die freie Frau so vor sexueller Belästigung zu schützen, in einer Zeit da kriegerische Auseinandersetzungen und Unsicherheit herrschten In einer Gesellschaft, wo es später keine Sklaverei mehr gab und Frieden herrschte, verlor das Kopftuch seine Bedeutung”, so Saïda Keller-Messahli. Seine unrühmliche Renaissance erlebte das Kopftuch spätestens 1979, als Ayatollah Chomeini verkündete, dass sich Frauen zu verschleiern hätten und nicht „nackt” zur Arbeit gehen dürften. Statt einer Rassentrennung wie in den USA wurde im Iran in der Folge eine Geschlechtertrennung in Bussen, Schulen und Parks eingeführt; Frauen mussten sich der islamischen Kleiderordnung unterwerfen, Lippenstift wurde mit Glasscherben von den Mündern gekratzt und die korrekte weibliche Verhüllung von Religionspolizisten überprüft.

Zur Wahrung der Familienehre und zur Sicherung einer guten Partie werden die Töchter ab dem 7. Lebensjahr in weiten Teilen der islamischen Welt von ihren Müttern dazu gezwungen, ihr Haar und ihre Haut zu verhüllen. Statt vor „Übergriffen“ zu schützen, fordert die Verhüllung jedoch die Kontrollsucht und sexuelle Übergriffe der Männer geradezu heraus. Im Iran dürfen wildfremde Männer Frauen und Mädchen ungestraft als „Hure” beschimpfen, sie betatschen und zwicken. An zahlreichen Kontrollpunkten prüft die Sittenpolizei den Sitz des Kopftuchs – und prügelt bei Nichtgefallen willkürlich auf die Frauen ein.

Freies Haar als Zeichen der Opposition

Das Kopftuch ist von „sittlichen“ muslimischen Frauen im islamisierten, öffentlichen Raum zu tragen und markiert ihre Unterwerfung unter das totalitäre System des Islam. Frauen hingegen, die durch „sündhaftes Auftreten” Haut und Haar zeigen, gelten als ehrlos und können mit bis zu 74 Peitschenhieben oder 60 Tagen Gefängnis bestraft werden.

Wie bei allen Markierungen geht es auch hier letztlich um Dressur und Gehorsam: „Das Kopftuch steht für die Kontrolle der weiblichen Sexualität. Der Zwang zum Kopftuch war ein zentrales politisches Symbol des Regimes der Islamisten, wie eine Uniform. Es geht ihnen nicht um Glauben oder Unglauben, sondern darum zu zeigen, dass es keine Opposition mehr gibt”, führte die Hochschulprofessorin Haideh Daraghi 2019 in „Bild“ aus.

Beschneidung von Jungs als Zeichen der religiösen Zugehörigkeit

Neben den unmittelbar erkennbaren Markierungen gibt es auch „unsichtbare” Stigmata, die jedoch nicht minder effektiv sind: Am achten Tag nach der Geburt soll im Judentum ein männlicher Säugling im Ritual Brit Mila beschnitten werden, was als Eintritt in den Bund mit Gott und Bekenntnis zum Judentum angesehen wird. Auch im Islam werden die Söhne bis zum Alter von 13 Jahren als Zeichen der Religionszugehörigkeit beschnitten. Basierend auf zahlreichen Forschungen scheint der eigentliche Grund der Beschneidung im Gruppenzwang zu liegen, der von der Verwandtschaft ausgeübt wird. Die Vorhaut wird bis in die Gegenwart häufig ohne Betäubung entfernt. Der Säugling leidet stark unter diesem körperlichen Schmerz – der nach einigen Quellen der eigentliche Zweck der Vorhautentfernung sein soll und den kleinen Menschen nur wenige Tage nach ihrer Geburt seelisch und körperlich traumatisierten soll. Überdies wird mit der Amputation der Vorhaut der empfindsamste Teil des Penis entfernt.

Zahlreiche ohne jede medizinische Indikation beschnittene Männer erklärten in Studien, dass sie sich bis heute „kastriert”, „wütend” und „ohnmächtig” fühlten. Die Beschneidung als solche hat keinen medizinischen Nutzen; dennoch wird das seelische und psychosexuelle Trauma der Markierung durch Amputation typischerweise von beschnittenen Vätern an ihre Söhne weitergegeben. Weltweit sollen nach Schätzungen der WHO 30 Prozent der muslimischen und jüdischen Männer – rund 650 Millionen – beschnitten sein. Welche Folgen mag die traumatisierende Beschneidung, die Verstümmelung der intimsten Körperstelle von Millionen Juden und Moslems wohl auf die Gesellschaft haben?

Beschneidung von Mädchen als Zeichen der Heiratsfähigkeit

Traditionell werden in Afrika auch Mädchen nach der Geburt oder bei Eintritt in die Pubertät von einer Beschneiderin genital verstümmelt. Je nach Prozedur werden dabei die Klitoris und die äußeren Schamlippen ohne Narkose abgeschnitten. Danach wird die Wunde – bis auf eine winzige Öffnung für Urin und Menstruationsblut – zugenäht. In vielen Fällen werden dem Mädchen während der Heilung die Oberschenkel zusammengebunden, was eitrige Entzündungen verursacht. Die Mütter zwingen ihren Töchtern diese Prozedur auf, weil sie nur als „zugenähte Frau” verheiratet werden und so zu Wohlstand gelangen können. Darüber hinaus werden sie durch die Beschneidung entwürdigt und ihrer eigentlichen Aufgabe zugeführt: Der sexuellen Befriedigung des Ehemannes.

Die psychologische Tortur der Mädchen und Frauen ist ebenfalls enorm. Sie werden als Personen erniedrigt und zu einer niedrigeren Klasse Mensch herabgestuft. Das ist übrigens auch der Hauptgrund für FGM (Female Genital Mutilation / Genitalverstümmelung): Frauen werden dadurch als weniger wertvoll als Männer “gekennzeichnet”. Das fällt auch auf, wenn man sich die Gemeinden ansieht, in denen FGM praktiziert wird: Die Frauen werden als weniger wertvoll als die Männer angesehen”, so Professor Guyo Jaldesa.

Terre des Femmes schätzte 2017, dass es in Europa inzwischen rund eine halbe Million Opfer der Genitalverstümmelung gibt, Tendenz steigend; die meisten davon leben in Frankreich.Beschnittene Mädchen leiden ihr Leben lang unter der sexuellen, körperlichen und seelischen Traumatisierung. Gerade deshalb sind sie „begehrte Bräute“, da sie wegen des Traumas fügsamer und lenkbarer als unbeschnittene Frauen sein sollen. Unbeschnittene Frauen finden innerhalb ihrer kulturellen Milieus häufig keinen Mann und werden ausgegrenzt. Dies ist jedoch nicht so sehr auf die Männer, sondern eher auf die soziale Kontrolle der gleichermaßen traumatisierten Mütter zurückzuführen.

Die Maske als Zeichen der Solidarität

Auch im vermeintlich freien Westen hat man die Stigmatisierung durch Markierungen wiederentdeckt. Seit März 2020 werden die Menschen weltweit dazu gezwungen, ihr Gesicht mit einer Maske zu bedecken. Dies soll dem Schutz anderer dienen. Selbst auf den schmalen Schultern der Kinder lastet die übergroße Verantwortung für die Gesundheit der Nation. Aufgezwungen werden ihnen diese Masken in der Mehrheit durch Mütter, damit ihr Kind in die Schule gehen und seinen Abschluss machen kann. Mehrheitlich sind es Lehrerinnen, die das Tragen der Maske unerbitterlich als Zeichen der Fürsorge von den Kindern einfordern.

In einem Interview erklärt eine mitfühlende Lehrerin, wie zwischen Kindern unterschieden wird: Geimpfte bekommen nach einem negativen Test einen goldenen Stern, Ungeimpfte weiter nur den grünen Sticker. Unser Direktor hält diese Diskriminierung für völlig in Ordnung, „man müsse ja schließlich unterscheiden können“. Fast alle finden es gut, dass man gleich sehen kann, wer „die Guten“ sind. Fast keiner hat ein Problem damit, andere und in dem Fall sogar Kinder und Jugendliche öffentlich an den „Ungeimpften-Pranger“ zu stellen.

Nicht einmal die regelmäßige Spritzung erlöst uns von der Maske. Aber wir spritzen und drangsalieren weiter und setzen uns und unsere Kinder dieser neuen Form der Knechtschaft aus, damit wir „frei” sein können. Frei sein. Was bedeutet Freiheit heute? Die Freiheit, einzukaufen? Die Freiheit, Essen zu gehen? Die Freiheit, eine ideologisierte Schule zu besuchen oder einer entfremdeten Arbeit nachzugehen? Um welcher Freiheit willen lassen wir uns da eigentlich spritzen?

Wie wollen wir leben?

Markierungen haben seit jeher Herren von Sklaven unterschieden. Fotografien von Parteitagen und Gipfeltreffen der Mächtigen zeigen uns, wer sich heute als Herrscher sieht (und deshalb meint, keine Maske tragen zu müssen): Die Machthaber dürfen frei atmen, alle anderen müssen sich dem permanenten Gefühl der Atemnot ergeben. Uns wurden mithin Markierungen und Prozeduren mit den entwürdigendsten Folgen überhaupt auferlegt: Die Drosselung der Luftzufuhr, der Verlust unseres Gesichts und das Aufzwingen einer Spritzung mit einer fragwürdigen experimentellen Flüssigkeit.

Was macht eine Markierung mit den Menschen? Wie wirkt sich eine Beschneidung aus? Wie fühlt sich eine verhüllte Frau mit eingeschränktem Sichtfeld? Wie ergeht es einem Kellner, der stundenlang maskiert seine maskenlosen Gäste bedienen muss? 

Unsere Lebensenergie, Kreativität und Schöpfungskraft werden durch die beständige Anstrengung, das aufgezwungene Trauma zu bewältigen, gebunden. Diese Lebenskraft geht uns und der Gesellschaft für die Schaffung eines Lebens in Fülle verloren. Unser Lebenslicht wird gedimmt. Ja, man hat das Gefühl, es soll ausgelöscht werden.

Wollen wir tatsächlich so leben – mit Markierungen, Zeichen, Verletzungen, Maskierungen? Mit aufgerissenen Augen, in denen das Entsetzen steht? Wie wollen wir miteinander reden, wenn wir das schöne Gesicht unseres Gegenübers nicht mehr sehen? Wohin soll all dies noch hinführen?

Ich sehe erstarrte Gesichter, geweitete Augen, Versteinerung und Trauer. Ich sehe Angst vor dem Tod und Angst vor dem Leben.

Ich sehe unglückliche und einsame Menschen, dressierte Kinder und verhärtete Eltern. Ich sehe seelisches Leid, das täglich wächst und Beziehungen, die nach Jahrzehnten zerbrechen. Und ich denke: Das kann, das darf so nicht weitergehen. Und tatsächlch: Jeden Tag wachen mehr Menschen auf und stellen fest: Es ist nun genug.

Es ist genug. Wir haben das Recht aufzubegehren. Denn es geht um unser Leben. Wir sind nicht auf Erden, um als Tiere zu leben. Wir sind das Licht der Welt und niemand hat das Recht, unser Licht zu löschen. Oder, wie Oscar Lafontain in seiner wunderbaren Rede am 29.11.2021 sagte: “Wir sind alle Gottes Kinder,”

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann eine Stadt, die auf dem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Matthäus 5, 13-16)

Erstveröffentlichung: Conservo



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