Selbstbestimmt war an der Aufgabe des Vorsitzes nichts – Angela Merkel wusste, was ihr beim CDU-Parteitag geblüht hätte
Anders als hierzulande, waren die Reaktionen vielerorts eher gemischt. Wer genau hinsah, konnte hier und da gar ein gewisses Maß an Erleichterung herauslesen. Nicht so in Deutschland. Bestürzt zeigt sich ob des Abtritts ihrer Ikone vor allem die “Generation Schneeflocke”, die nie etwas anderes erlebt hat als die Willkommenskanzlerin und die CDU für die Schwesterpartei der Grünen hält. Währenddessen zollt das Heer der Medienvertreter Merkel Respekt für den angeblich “würdevollen und selbstbestimmten” Rückzug. Dass dieselben Journalisten über Wochen gefordert hatten, die Unbelehrbare möge es endlich gut sein lassen, verdeutlicht die ganze Bigotterie der Branche. Selbstbestimmt war an der Aufgabe des Vorsitzes ohnehin nichts. Merkel wusste nur zu gut, was ihr beim CDU-Parteitag im Dezember geblüht hätte. Mit peinlicher Unterwürfigkeit werden nun ausgerechnet jener Frau blumige Wortgirlanden für ihre Bereitschaft zum Rückzug gebunden, die an ihrem Stuhl klebt wie ein alter Kaumgummi. Dass sie Kanzlerin bleiben will, auch um der UN einen letzten Dienst zu erweisen und ihre Verfassungsbrüche der letzten Jahre nachträglich zu legitimieren, macht deutlich, wie wenig sie daran denkt loszulassen. Allerdings könnten ihre Tage im Kanzleramt gezählt sein, sollte ihr tatsächlich ihr früherer Gegenspieler Friedrich Merz nachfolgen und nicht eine ihrer Kabinettsmarionetten. Der Schleudersitz könnte aber auch so zünden, denn der CDU stehen wichtige Wahlen bevor, deren Brisanz die in Bayern und Hessen noch übersteigt.
Deutschlands Linke machen gegen Friedrich Merz mobil – sie hätten gerne eine der Merkel-Getreuen als deren Nachfolgerin
Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im Herbst kommenden Jahres ihre Landtage neu wählen. Ohne eine Veränderung im Kanzleramt wird es der CDU kaum gelingen, die AfD dort in Schach zu halten und aus dem Umfragetief herauszukommen. Schon die Europawahl im Mai dürfte schmerzhaft enden, sollte Merkel bis dahin immer noch regieren. Derweil machen Deutschlands Medien gegen Merz mobil. Sie hätten gerne eine der Getreuen als Nachfolgerin. “Merkels Plan” gehe nur mit Annegret Kramp-Karrenbauer auf, ließ der Spiegel seine Leser vielsagend wissen. Was wie eine Drohung klingt, darf durchaus als solche gewertet werden, wenn das auch innerhalb der Spiegel-Redaktion sicher niemand so verstanden wissen will. Denn mit AKK an der CDU-Spitze könnte Merkel ungestört weiterarbeiten am Umbau eines Landes, dessen Schicksal ihr vor 13 Jahren anvertraut worden war und das schon heute kaum mehr wiederzuerkennen ist. Vor allem könnten Partei und Presse irgendwann den würdevollen Abschied vom Kanzleramt inszenieren, den sie uns jetzt schon beim Vorsitz vorgaukeln. Für die SPD wäre Merz hingegen ein Glücksfall. Zwar wäre der Bruch der “Großen Koalition” vorgezeichnet, doch hätte man endlich wieder ein Feindbild im Unions-Lager. Die Grünen hingegen brauchen Angela Merkel. Noch haben sie nicht die Mehrheit. Sicher sollen die journalistischen Merkel-Hymnen daher auch die Delegierten des CDU-Parteitags beeindrucken, denen das Kreuz hinter dem Namen Merz nur allzu leicht von der Hand gehen könnte.