Schuldunfähig? Kein Problem für die Hessen-Justiz

Foto: Maria Schneider

Nun ist es amtlich. Der als Habte A. bezeichnete Mörder von Gleis 7 muss in die Psychiatrie. Die BILD nennt seinen vollen Namen und zeigt auch ein Foto des Eritreers. Der Name des achtjährigen Todesopfers bleibt ungenannt. Nur in seltenen Fällen verzichtet die BILD auf solche Angaben. Die Familie des Jungen hat eine Anwaltskanzlei beauftragt, gegen die Nennung des Namens vorzugehen. Ein entsprechender Artikel auf dieser Seite wurde deshalb entfernt.

Von Beginn an verzichteten alle Medienhäuser auf die Namensnennung. Wenn – wie gesagt auch die BILD darunter ist, kann man den Verdacht, dass dabei die hohe Politik im Spiel sein muss, nicht ganz beiseite legen. Im Fall der verschwundenen Rebecca hatte die BILD keine Probleme mit den Persönlichkeitsrechten des zeitweise als Tatverdächtigen geltenden Schwager des Mädchens. Im Justizskandal Ulvi K. zeigte die BILD trotz mehrfacher Gerichtsentscheide ebenso wenig Einsicht.

Deutschland, deine Gutachter

Der bekannteste Justizskandal ist zweifellos der Fall Mollath. Mit meinem Kollegen Dirk Lauer habe ich zusammen in vielen weiteren Fällen recherchiert, die nicht nur Zweifel an unserem Rechtssystem aufkommen lassen, sondern Beweise dafür liefern, dass in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – ein Grundsatz ist, der vor deutschen Gerichten keinen Pfifferling wert ist.

Gutachter Holzmann wurde durch die Steuerfahnder-Affäre bekannt. Aufgrund der von ihm verfassten Gefälligkeitsgutachten wurde er zu Schadensersatz in Höhe von  226.000 Euro und einer Geldbuße von 12.000 Euro verurteilt. Das hindert die Hessen-Justiz jedoch nicht daran, ihn weiter als Gutachter zu konsultieren, wie ein Artikel der BILD belegt. Würden Sie ein zweites Mal in Autowerkstatt gehen, die sie zuvor betrogen hat? Wohl kaum! Der einzige Schluss daraus kann nur lauten: Die Hessen-Justiz ist durch und durch korrupt.

Vom Omamörder zum wissenschaftlichen Berater an einem Institut für Politikwissenschaft

Dieser Fall schlägt dem Fass den Boden aus. Ich muss gestehen, selten war ich so erschüttert darüber, wie gut das hessische Schweigekartell funktioniert. Wieder einmal berichtete die BILD ohne den Namen in einem mehr als spektakulären Fall. Auch die übrige Presse hielt sich daran.

HNA: Weil er in Bebra seine Oma getötet hatte, er zur Tatzeit aber wegen einer Geisteskrankheit schuldunfähig war und weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, wird ein 25-Jähriger in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Das hat das Landgericht Fulda am Donnerstag angeordnet. Quelle

Dieser Fall trug sich 2013 zu. Wie gesagt, die Presse achtete außergewöhnlich stark die Persönlichkeitsrechte des “Medizinstudenten”, der aus einer gut vernetzten Arztfamilie stammt. Bei Recherchen zu einem anderen Fall erfuhren wir, dass der als “schuldunfähig” eingestufte Patient bereits nach etwas mehr als einem Jahr von einer sogenannten “Schnelldurchläuferstation” entlassen worden war, während sich in der betreffenden Klinik etliche Patienten mit weitaus geringeren “Anlasstaten” – bei denen niemand ums Leben gekommen war – weiterhin im Maßregelvollzug befanden.

Der junge Mann setzte sein Studium zunächst im sonnigen Ausland fort, postete über seinen Facebook-Account mindestens zweimal von Begegnungen mit Lokalpolitikern seiner Heimatstadt und bekleidet derzeit einen Posten als “wissenschaftlicher Berater” bei einem Institut für Politikwissenschaft einer großen Universität.

Auf Presseanfragen zu möglichen Interessenskonflikten und eventuellen Vorwürfen der Einflussnahme aufgrund seiner beruflichen Stellung hat der Vater des Patienten nicht reagiert. Ebenso die Leitung der psychiatrischen Klinik, aus der der Patient offenbar mit einer günstigen Sozialprognose entlassen wurde. In dem Fall liegt nicht nur ein außerordentlich starkes Motiv des Vaters vor, die Berichterstattung zu verhindern, sondern auch hohe Interessen eines ganzen Berufsstandes, der unweigerlich Schaden nehmen würde, wenn denn die Hintergründe ans Licht kämen. Leider kann ich derzeit nicht mehr dazu sagen. Das Räderwerk dieser unheiligen Allianz aus Justiz, Gutachter(-un)wesen und Presse läuft wie geschmiert, doch jeder Krug geht nur solange zum Brunnen, bis er zerbricht. Danach sieht es aber augenblicklich noch nicht aus.

Sind nun im Fall Habte A. wieder die gleichen Gutachter, Psychiater, Staatsanwälte und Richter involviert? Wir bleiben dran …..



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