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Keine Zwangssolidarität zur #Organspende: Human Life gegen Schweizer Widerspruchslösung

Foto: belchonock / 123RF Standard-Bild

Human Life International (HLI) ist die weltgrösste Pro Life – Organisation. In der Schweiz soll ähnlich wie in Deutschland nun eine Widerspruchslösung zur Organspende beschlossen werden. Die Organisation lehnt diese Art der “Zwangssolidarität” ab:

Die vom Bundesrat im Vernehmlassungsverfahren vorgeschlagene Widerspruchsregelung kommt einer staatlich verordneten Zwangssolidarität zur Organspende gleich. Sie dient weder der Sache (Reduzierung des Mangels an Organspenden) noch respektiert sie die Persönlichkeitsrechte von Organspendern. HLI-Schweiz lehnt deshalb den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative “Organspende fördern – Leben retten” dezidiert ab.

Nach dem erläuternden Bericht geht es dem Bundesrat primär darum, die Zahl der Spenderorgane zu erhöhen. Dieses Ziel ist gewiss legitim. Mit dem angestrebten Wechsel von der geltenden Zustimmungs- hin zur Widerspruchsregelung kann der Bundesrat das angestrebte Ziel allerdings nicht erfüllen. Die Nationale Ethikkommission (NEK) belegt in ihrem Dokument vom Juni 2019, dass in Grossbritannien, das eine hohe Organspenderate (24,5 Spender/Million Einwohner) ausweist, die erweiterte Zustimmungsregelung wie in der Schweiz gilt. In Polen und Luxemburg beträgt die Organspenderate hingegen trotz Widerspruchsregelung nur 13,0 bzw. 15,8. Die NEK fasst ihre gründliche Analyse wie folgt zusammen: “Bislang konnte also nicht belegt werden, dass die Widerspruchslösung zu einer höheren Rate postmortaler Organspenden führt als eine Zustimmungslösung. In Anbetracht der zahlreichen Faktoren, die dabei zu berücksichtigen wären, wird dieser Nachweis wohl auch nie (sic!) gelingen.” Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie sich der Bundesrat in seinem Bericht zur Behauptung versteigen kann, die Einführung der Widerspruchsregelung führe per se zu einer Erhöhung der Spendenrate. Geradezu grotesk ist es auch, wenn der Bundesrat mit Verweis auf das Ausland die Widerspruchsregelung als Heilmittel zur Behebung des Mangels an Organspenden propagiert, gleichzeitig aber im gleichen Bericht einräumt, dass es die Widerspruchsregelung de facto nirgends gibt! Dazu der Bundesrat wörtlich: “Wenn kein Wille der verstorbenen Person bekannt ist, kommt den Angehörigen de facto in allen untersuchten Ländern – auch in jenen mit einer gesetzlich engen Widerspruchslösung – ein Entscheidungsrecht zu.

Bedenkliches Informationsdefizit in der Bevölkerung

Erschwerend kommt hinzu, dass sich bei der Widerspruchsregelung – im Gegensatz zur Zustimmungsregelung – das essentielle Problem der Information der Bevölkerung stellt. Das Bundesgericht hat (BGE 123 I 112ff.) klargestellt, dass eine Widerspruchsregelung nur zulässig ist, wenn sie mit einer regelmässigen Information der Bevölkerung einhergeht. Dabei muss sichergestellt werden, dass die “Information sämtliche Bevölkerungskreise erreicht und insbesondere auch von fremdsprachigen Personen verstanden wird”. Es liegt auf der Hand, dass insbesondere aufgrund der signifikanten Zunahme des migrationsaffinen, den hiesigen Landessprachen nicht oder kaum kundigen Bevölkerungsanteils diese bundesgerichtliche Bedingung in praxi buchstäblich ein frommer Wunsch bleiben wird.

Wie prekär das aktuelle Informationslevel in der gesamten Bevölkerung ist, hat ein im Auftrag von HLI von der gfs durchgeführte, repräsentative Umfrage zutage gefördert: Die kontaktierten Personen wurden mit der Tatsache konfrontiert, dass der Hirntod als Todeskriterium ein unter Ärzten umstrittenes Konzept darstellt. Zum Zeitpunkt des Funktionsausfalls des Hirns und damit der Organentnahme sind mit dem Gehirn nur 3 % des Körpers tot, während dessen die restlichen 97% noch leben. Somit werden aus der Sicht der Kritiker nicht Toten, sondern Sterbenden Organe entnommen. Auf die Frage, ob sie diese Argumentation für richtig halten, antworteten 22% mit falsch, 21% mit eher falsch; 22% hielten sie hingegen für richtig, 18% für eher richtig. Bemerkenswert: 18% der Befragten sahen sich ausserstande, dazu eine Antwort zu geben oder konnten sich nicht für die eine oder andere Seite entscheiden. Angesichts der Tatsache, dass die Widerspruchsregelung noch viel einschneidender in die Persönlichkeitsrechte der spendenden Person eingreift als bei der Zustimmungsregelung, muss ein zumindest partielles Versagen der dem Bund auferlegten Informationspflicht konstatiert werden (vgl. Art. 61 Abs. 1 und 2 lit. a Transplantationsgesetz).

Swisstransplant und Gesetzgeber werden zu mehr Transparenz aufgefordert

Kommt hinzu, dass Swisstransplant die beiden Organentnahmearten (Hirntod [= primärer Hirntod] / Herzstillstand [sekundärer Hirntod] im Organspendeausweis extrem vereinfacht darstellt und auf unzulässige Art und Weise gleichsetzt. Wer ein Ja ankreuzt oder im elektronischen Register einträgt, befürwortet automatisch beide Organentnahmearten. Angesichts der chronischen Renitenz von Swisstransplant, diesbezüglich Transparenz und damit die notwendigen Voraussetzungen für eine tatsächliche informierte Zustimmung zu schaffen, fordert HLI-Schweiz, diese Differenzierung bereits auf Gesetzesstufe explizit zu verankern.

Für HLI-Schweiz ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Art. 10 Abs. 2 Transplantationsgesetz, wonach neu bereits während der Abklärung des Widerspruchs vorbereitende medizinische Massnahmen erlaubt sind, ein absoluts No go! Damit wird die Festellung des Bundesrates, dass den Rechten der spendenden Person auch unter der Widerspruchslösung in jedem Fall Vorrang gegenüber den Rechten der empfangenden Person zukommt, zur blossen Makulatur.

Bei einer allfälligen gesetzlichen Verankerung der Widerspruchsregelung droht eine dramatische Verschlechterung des Informationsdefizits. Indiz für dieses Szenario ist ein weiterer beunruhigender Befund der HLI-Umfrage: Rund ein Fünftel (22%) der Befragten fühlt sich durch die öffentliche Diskussion zur Organspende gedrängt. Diese wird durch den vom Bund im Jahr 2013 lancierten Aktionsplan “Mehr Organe für Transplantationen” wesentlich mitgeprägt. Gemäss Selbstdeklaration des Bundes war es das Ziel dieses Aktionsplanes, die zu tiefe Zahl an Organspenden bis Ende 2018 auf 20 Spenden pro Million Einwohnerinnen und Einwohner (pmp) zu steigern. Dieses Ziel wurde mit 18,6 (gegenüber 12.0 im Jahr 2012) beinahe erreicht und das unter dem Regime der aktuell geltenden Zustimmungsregelung. Was also liegt näher, diesen erfolgreichen Weg weiter zu beschreiten, statt einen Systemwechsel vorzunehmen, dessen Zielsetzung, sprich Erhöhung der Spenderate, höchst unrealistisch ist, unbestreitbarerweise aber mit einem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Organspendern verbunden ist?



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