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EZB-Aktienkäufe – Keine gute Idee

Kommentar aus der Börsen-Zeitung von Dietegen Müller

Die Konjunktureintrübung, geopolitische Spannungen – durch die Ankündigung von US-Präsident Trump, neue Zölle auf chinesische Importe zu erheben, noch gestiegen – und niedrige Inflationsraten zwingen die Notenbanken zu neuen geldpolitischen Lockerungsübungen. Bloß, ihre Mittel sind begrenzt. In besonderem Maße gilt das für die Europäische Zentralbank (EZB), bei der weitere Zinssenkungen von vielen Experten als kontraproduktiv erachtet werden und wo neue Anleihekäufe aufgrund des begrenzten Angebots nicht zuletzt aus Deutschland rasch an Grenzen stoßen würden.

Nun wird da und dort die Idee ventiliert, die EZB solle auch Aktien kaufen. Rick Rieder, Chief Investment Officer Global Fixed Income des US-Assetmanagers BlackRock, hat in der “Financial Times” die EZB jüngst dazu aufgefordert, europäische Aktien zu kaufen, um die Finanzierungskosten für Unternehmen zu senken und damit das Wachstum in Europa anzukurbeln. Damit solle der Preis für Eigenkapital gegenüber jenem für Schulden gesenkt werden. Auf Anfrage äußerte sich BlackRock nicht. Steigende Aktienkurse dürften wohl von jedem Vermögensverwalter begrüßt werden, doch stellt sich die Frage, ob die erwünschten Effekte – mehr Wachstum und eine höhere Inflation – sich mit einem Markteingriff des “Lender of Last Resort” einstellen.

Daran gibt es begründete Zweifel. Dieses Ziel haben auch stetig steigende Aktienkäufe der Bank of Japan – sie laufen seit Dezember 2010 – bisher nicht erreicht. In einem Diskussionspapier des Research Institute of Economy, Trade and Industry in Japan kamen Kimie Harada und Tatsuyoshi Okimoto zum Schluss, dass die Aktienkäufe der BoJ teils einen signifikanten Kurseffekt haben. Namentlich in fallenden Märkten tritt die BoJ seit einer Anpassung ihrer Kaufstrategie aktiver auf. Dies führe jeweils am Nachmittag zu einer Überrendite von Nikkei-225-Aktien gegenüber Aktien, die nicht im Nikkei-225-Index enthalten sind, auch wenn sich der Effekt über die Zeit abgeschwächt habe.

Die BoJ hatte anfangs Aktien aus dem preisgewichteten Nikkei 225 und nur in geringerem Maße aus dem marktgewichteten Topix gekauft, was für Nikkei-225-Werte wie Fast Retailing, die Mid Caps sind, ausgeprägte Effekte hatte. Nicht nur war der Kurs solcher Werte verzerrt. Auch wurde die BoJ dort zum Großaktionär. Laut dem Finanzmagazin “Nikkei” ist die Notenbank Ende März bereits bei fast jedem zweiten in Tokio gelisteten Unternehmen unter den zehn größten Aktionären, und hält nun ETFs über umgerechnet rund 220 Mrd. Euro, was rund 4,4 % der gesamten Marktkapitalisierung beträgt.

Da die BoJ ihre Stimmrechte nicht ausübe, könne dies im schlechtesten Fall notwendige Restrukturierungen verzögern, die Arbeitsproduktivität unterminieren und das Potenzialwachstum schmälern, sagt die japanische Wirtschaftsprofessorin Sayuri Shirai. Auch stellt sich die Frage, warum Unternehmen, wenn sie für Schulden nichts zahlen müssen, Eigenkapital aufnehmen sollen – die Risikoprämien dafür seien trotz der BoJ-ETF-Käufe sogar gestiegen, hält Shirai fest. Nicht zuletzt ist die BoJ auch den Beweis schuldig geblieben, wie sie die einst als temporäre Maßnahme gedachten Käufe rückabwickeln kann.

Aktienkäufe durch Notenbanken bedeuten aber auch die Übernahme unternehmerischer Risiken auf die Bilanz einer für geld- und währungspolitische Stabilität zuständigen Institution. Das birgt Probleme. Notenbanken sind nicht per se politisch unabhängig, sie agieren schon gar nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum, wie das Beispiel der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigt, die als Folge der Franken-Aufwertung am Devisenmarkt Franken verkauft hat und ihre Ende Juni auf 812 Mrd. sfr gestiegenen Fremdwährungsreserven zu einem Fünftel – also zu rund 160 Mrd. sfr (ca. 148 Mrd. Euro) weltweit in Aktien investiert. Daraus resultieren je nach Marktlage hohe Gewinnschwankungen, die angesichts der Größe der Wirtschaftsleistung der Schweiz (um 600 Mrd. Euro) Sorgen wecken.

Sollte die SNB wieder stärker am Devisenmarkt intervenieren, dürften die Rufe über die Mitspracherechte der Schweizer Steuerzahler wieder lauter werden. Die Stimmrechte der SNB liegen in öffentlich-rechtlicher Hand, doch es gibt Forderungen nach parlamentarischer Mitsprache – das Ende jeglicher Unabhängigkeitsgedanken einer Notenbank. Solche Governance-Fragen lassen sich auch bei der EZB nicht völlig vermeiden, deren Eigenkapitalbasis auch auf die Haushalte der Mitgliedsländer zurückgreift. Keine gute Idee also.



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